SWR3 Gedanken

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27MRZ2020
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Nach dem dritten Mal war offensichtlich: Ich komme mit diesen Kindern nicht klar. Ich habe die Klasse eines kranken Kollegen übernommen. Schon vorher hat er mir immer wieder von dieser Klasse erzählt und ich habe geahnt: Puh, das wird nicht leicht.

Und tatsächlich: Der eine springt einfach im Unterricht von seinem Stuhl auf und rutscht auf den Knien durch den Klassenraum. Ein Mädchen, ist unangenehm anhänglich und immer am Fragen. Und dann fangen zwei auch noch an sich zu beschimpfen und zu verhauen. „Eigentlich sind sie richtig nett….“ Hat mein Kollege gesagt…. Ich habe davon leider nichts gespürt.

Nach der dritten Stunde denke mir: So wird das nichts mit mir und dieser Klasse. Aus lauter Verzweiflung habe ich meine Gitarre geschnappt und mit den Kindern das Lied „Du bist Du“ gesungen. Nach erstem Staunen und nach etwas Üben haben sie aber begeistert mitgeschmettert: „Du bist kein Kind des Zufalls, keine Laune der Natur, ganz egal ob Du dein Lebenslied in Moll singst oder Dur, du bist ein Gedanke Gottes, ein genialer noch dazu: Du bist Du“. So haben wir miteinander gesungen. Und was soll ich sagen: Es hat geholfen! Plötzlich hatte ich tatsächlich einen anderen Blick auf die Kids, nur weil ich gesungen habe, dass sie ein genialer Gedanke Gottes sind.

Nicht die Kinder haben sich verändert, sondern ich. Ich hatte einen anderen Blick auf sie. Der Schüler, der so gern auf dem Boden rutscht, freut sich, wenn er besondere Aufgaben übertragen bekommen hat. Für das anhängliche Mädchen habe ich mir mal fünf Minuten intensiv Zeit genommen und habe ihre Fragen beantwortet – mehr war gar nicht nötig. Und wir haben gemeinsam Regeln aufgestellt, dass man keine Schimpfworte verwendet und sich nicht verhaut.

Nein, es ist nicht alles leicht seither in dieser Klasse, aber zu singen: „Du bist ein genialer Gedanke Gottes“, hat uns nähergebracht. Und dafür bin ich echt dankbar.

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