SWR2 Wort zum Tag

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14MRZ2020
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„Sorry, außer Dienst“. Ich stehe an der Haltestelle und warte auf den Bus. Der Bus kommt auch – und fährt vorbei. in dem Feld, in dem sonst der Zielort der Fahrt zu lesen ist, steht „Sorry, außer Dienst“. Ich ärgere mich schon. Der Bus hätte mich ja auch mitnehmen können. Ich warte also grumelnd weiter. Und nutze die Gelegenheit, über die drei Wörter nachzudenken.

„Sorry, außer Dienst“ – das klingt beinahe wie ein kleines Fastenprogramm. Nein, nicht für den Bus, der muss vermutlich einfach zurück an seinen Standort. Sondern für diejenige, die häufig „im Dienst“ sind. Oder sich im Dienst fühlen. Menschen in Verantwortung für andere. Als Kollegin der Kollege. Als Eltern oder als Großeltern. In der nachbarschaftlichen Unterstützung von Menschen, die auf andere Menschen angewiesen sind. Ich weiß, die meisten dieser Aufgaben kann ich nicht einfach einstellen. Aber ein kleines Fastenprogramm, manchmal geht das vielleicht doch.

Immer im Dienst, diese Haltung geht zurück auf Otto Dibelius, Bischof in Berlin in den 1960er Jahren. „Ein Christ ist immer im Dienst“, hat er gesagt. Ich finde, das ist ein gefährlicher Satz. Niemand kann immer im Dienst sein. Das wäre eine maßlose Überforderung. Heute ist Samstag, Schabbat, der Ruhetag für Menschen jüdischen Glaubens. Nicht ohne Grund ruft mir das Gebot, einen Tag der Woche als Ruhetag zu halten, eine alte Weisheit der Menschen in Erinnerung. Im Dienst sein und außer Dienst sein – das muss in einer guten Balance stehen. Immer „stand by“, immer im Hab-acht-Modus zu leben, das macht krank. Das ist längst auch wissenschaftlich bewiesen. Da wirkt es ungeheuer entlastend für mich, dass alles seine Zeit hat: Das Engagement und die heilsame Unterbrechung.

Warum also in der Fastenzeit nicht auch einmal ganz bewusst das „Außer-Dienst-Sein“ üben. Nicht so, dass ich Menschen, die mir lieb sind, einfach ihrem Schicksal überlasse. Nicht so, dass ich wegsehe, wenn mein konkreter Einsatz gefordert ist. Aber so, dass ich signalisiere. Meine Kräfte sind begrenzt. Ich bringe mich gerne ein. Aber ich brauche auch immer wieder eine Auszeit.

So wird ein vorbeifahrender Bus für mich zur Inspiration: „Sorry, außer Dienst“ – ein gutes Programm in diesen Wochen. Und während ich diesem Gedanken nachsinne, kommt der nächste Bus. Der hält.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=30507
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