SWR2 Wort zum Tag

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12MRZ2020
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„Profis haben die Titanic gebaut. Und Laien die Arche Noah.“ Stand auf der Speisekarte einer kleinen Bar. Die mit allen technischen Raffinessen ausgestattete Titanic – sie ist ja schon auf der Jungfernfahrt untergegangen. Der einfache hölzerne Kasten des Noah dagegen – er hat allen, die an Bord waren das Leben gerettet.

„Profis haben die Titanic gebaut und Laien die Arche Noah.“ Die Chefin hat das vielleicht nur als witzigen Spruch verstanden. Und damit die Botschaft vermittelt: Ich muss kein gelernter gastronomischer Profi sein, damit es meinen Gästen gut geht. Humorvoll war dieser Satz gemeint. Bei mir hat er noch mehr ausgelöst – womöglich noch mehr, als die Inhaberin der Bar sich das vorgestellt hat.

Es ist vor allem der Ausdruck Laie, der mich hat aufhorchen lassen. Ein alter Ausdruck, der am Ende des ersten Jahrhunderts nach Christus zum ersten Mal auftaucht. Ein Laie, so scheint es, ist jemand, der auf einem Gebiet nicht soviel Ahnung hat. Eigentlich sind es aber die Profis, die wissen, wie’s wirklich geht. Das sind die, die ihre Leidenschaft zum Beruf gemacht haben. Die von ihm sogar leben können.

Ehrlich gesagt: Ich glaube, es gibt gar keine Laien. Alle Menschen haben ihre Leidenschaft. Ihre Begabung. Auch so etwas wie einen Lebensauftrag. Nicht nur, wenn ich ein ausdrückliches Amt ausübe, ist das so. Sondern auch, wenn ich mich um Geflüchtete kümmere. Oder einen Angehörigen pflege. Wenn ich mich in der Kirche engagiere. Oder in einem Verein. Natürlich braucht es bei solchen Aufgaben immer auch Menschen mit Fachwissen. Aber die anderen sind deshalb noch lange keine Laien. Manche der sogenannten Laien kennen sich auf manchen Gebieten besser aus als die Profis oder diejenigen, die eine bestimmte Aufgabe zu ihrem Beruf gemacht haben. Deshalb war auch Noah kein Laie. Er hat von Gott seinen Lebensauftrag bekommen. Und er muss sich im Schiffsbau auch ausgekannt haben. Denn die Arche ist schließlich nicht untergegangen.

Martin Luther hat diese Einsicht, dass jeder Mensch seine besondere Begabung und Beauftragung hat, das allgemeine Priestertum genannt. Besser wäre es vielleicht noch, vom Priestertum im Alltag zu sprechen. Das kann man auf sehr unterschiedliche Weise ausüben. In einer Bar. Bei der Arbeit. Oder beim Beten. Ich habe mir vorgenommen, das der Inhaberin der Bar beim nächsten Mal zu sagen.

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