Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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14MRZ2020
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„Jetzt hab halt Vertrauen. Es wird schon gut gehen.“ Ich habe den Satz oft gehört. Zum Beispiel vor Prüfungen.

„Jetzt hab halt Vertrauen. Es wird schon gut gehen.“ Eine gut gemeinte Aufforderung. Bei mir hat sie das Gegenteil bewirkt. Ich habe mich auch noch schlecht gefühlt, weil ich Angst hatte und kein Vertrauen. Deshalb habe ich den Satz aus meinem Sprachgebrauch gestrichen. Vertrauen haben kann man nicht einfach. Es wächst und wenn keines gewachsen ist, muss ich damit umgehen, dass ich keines habe.

Während einem Besuch bei meinem Enkelkind ist mir bewusst geworden, wie viele positive Erfahrungen ein Mensch braucht, damit er vertrauen kann. Mein Enkelsohn ist 20 Monate alt. Noch vor acht Wochen ist er ganz still geworden, wenn Mama und Papa beide weg waren. Der sonst fröhlich plappernde Junge ist verstummt und hat sich wenig bewegt. Manchmal hat er weinerlich und fragend gesagt… Mama, Papa? Ich habe ihm darauf versichert, dass beide wiederkommen und ihn lieb haben. Vor wenigen Tagen war ich wieder bei meinem Enkel. Diesmal hat er sich morgens von seinen Eltern fröhlich verabschiedet und ihnen gewinkt als sie zur Arbeit gegangen sind. Ungefähr eine Stunde lang hat er danach in kurzen Abständen zu sich selbst und mir gesagt: „Mama, Papa wieder. Mama, Papa lieb.“ Dann war es vorbei und doch sichtlich erleichtert, als er gemerkt hat, dass Mama und Papa tatsächlich wieder gekommen sind. 

Vertrauen wächst. Es ist nicht einfach da. Es kann auch nicht schnell mal so herbei geredet werden. Menschen, die von Anfang an ihren Eltern vertrauen können, ohne dabei verletzt zu werden, haben es leichter. Das Gute ist, dass Vertrauen immer wachsen kann. In jedem Alter. Habe ich mit 58 Jahren festgestellt. Mein Vertrauen in mich selbst ist in den letzten Jahren sogar mehr gewachsen als jemals zuvor. Weil ich mir bewusst gemacht habe, was ich alles kann und welchen Wert das hat für mich und andere. Aber auch, weil ich gelernt habe, zu akzeptieren, was ich nicht kann. Es ist befreiend, dafür andere um Hilfe zu bitten anstatt mich zu schämen oder erfolglos anzustrengen. Und ich übe, Bedürfnisse ernst zu nehmen. Zum Beispiel mein Bedürfnis nach regelmäßigen Ruhepausen in meinem Alltag. Heute weiß ich: Ich kann darauf vertrauen, dass ich weiß was für mich gut ist. Auch bei diesem Prozess habe ich erlebt: Vertrauen kann ich nicht einfach so herbei reden. Es wächst.

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