Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

20FEB2020
AnhörenDownload
DruckenAutor*in

„Meine Oma fährt im Hühnerstall Motorrad…“ das haben meine Kinder manchmal ihrer Oma vorgesungen. Das war ein bisschen frech – aber doch vor allem eine witzige Form der Anerkennung. „Meine Oma ist ‚ne ganz patente Frau“ – das ist die Quintessenz. Die Kinder hatten ihre Oma gern.

Anfang des Jahres hat ein Kinderchor das Lied mit einem neuen Text gesungen. Auch diesmal geht es darum, was die Oma so alles kann: Sie fährt SUV, sie brät jeden Tag ein Kotelett, sie verbraucht viel Sprit und geht auf Kreuzfahrt. Refrain: „meine Oma ist ne alte Umweltsau!“

Ich bin schon seit ein paar Jahren Oma. Und ich fand das Lied ungezogen. „Umweltsau!“ – sowas sagt man nicht, schon gar nicht zur Oma, habe ich gedacht. Hatte der Textdichter keine Oma, von der er das gelernt hat?

Aber ich musste doch auch denken: Haben sie nicht recht mit ihrem Lied? In meiner Generation wurden die Atomkraftwerke gebaut, preiswerte Flugreisen wurden zum Alltag, Autofahren wurde selbstverständlich und Lebensmittel und Fleisch immer billiger. Inzwischen wird klar, was wir damit angerichtet haben – nicht nur die Landwirte nehmen Schaden…

Natürlich weiß ich, wie viele ältere Leute im Garten gesundes Gemüse anbauen, im Urlaub wandern gehen, auf gesunde Ernährung achten und bescheiden leben. Trotzdem: Ein bisschen Selbstkritik könnte unserer Generation der Omas und Opas nicht schaden. Auch für die Kindererziehung übrigens. Wir hätten ihnen ja beibringen können, dass „Umweltsau“ und andere Beschimpfungen keine vernünftige Kritik sind. Dass es überhaupt manches gibt, was man aus Respekt vor anderen nicht tut. Und Respekt vor Gott haben wir ihnen vielleicht auch zu wenig vermittelt. Wer Respekt vor Gott hat, hat auch Respekt vor seiner Schöpfung und holt nicht alles raus, was geht.

Ich sehe, wie viele junge Leute sich „bio“ ernähren, wie man heute sagt. Aber gleichzeitig fliegen sie für ein Sportereignis nach Japan oder für einen Junggesellenabschied nach Prag. Und bei den Klamotten achten viele vor allem darauf, dass sie billig sind – statt darauf, wie sie hergestellt werden.

Ein Prophet im Alten Israel hat zu seiner Zeit gesehen, dass Alte und Junge dieselben Fehler machen – jeder auf seine Weise. Er hat gesagt: „Wir haben gesündigt gegen den Herrn unsern Gott, wir selbst und unsere Väter, von Jugend an bis auf den heutigen Tag“ (Jer 3, 25)

Omas, Opas und Enkel: Wir neigen anscheinend alle dazu, soviel wie möglich für uns selbst herauszuholen aus dem Leben. Ich finde: Wir sollten aufhören, uns gegenseitig zu beschuldigen. Und gemeinsam neu anfangen.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=30348
weiterlesen...