Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

17FEB2020
AnhörenDownload
DruckenAutor*in

Montagmorgen in der Grundschule. In der 1.Klasse ist es inzwischen ziemlich ruhig. Der Sturm des Wiedersehens hat sich langsam gelegt. Die Schüler sind außerdem noch müde vom Wochenende.

Im Moment machen sie gerade Stillarbeit. Plötzlich fängt ein Kind an zu weinen. Die Lehrerin geht zu ihm hin und fragt besorgt nach. „Kind, warum weinst du denn?“ Schluchzend sagt es: „Ich hab vergessen, wie meine Mama aussieht!“

Dieses Unglück habe ich von einer erfahrenen Lehrerin gehört. Die wusste zu berichten, dass es solche bitteren Heimwehattacken bei den Erstklässlern öfters gibt. So was passiert. Nicht nur wenn wir klein sind.

In der Trauerarbeit begegne ich immer wieder Menschen, die Angst davor haben, ihren Verstorbenen zu vergessen, seine Nähe und sein Gesicht nicht mehr zu spüren. Wir brauchen nämlich Gesichter. Mindestens eins. Wir sind Gesichter-Menschen. Wir wollen das liebe Gesicht, das uns anschaut bei uns tragen.

Darum haben auch die meisten von uns mindestens ein Foto bei sich, im Geldbeutel, im Kalender, auf dem Smartphone sogar gleich mehrere. Und wenn wir diese Herzensmenschen vermissen, dann schauen wir auf das Bild.

Das tut manchmal weh und gut zugleich. Aber wir wissen dann:
Er ist zwar jetzt nicht hier, aber er ist da! Sonst fangen wir nämlich mitten im Unterricht des Lebens plötzlich an, uns einsam und verlassen zu fühlen. Das geht so mit uns, egal wie alt und in welcher Klasse wir angekommen sind.

Und weil Gott das genau weiß, schaut er auch nach uns. Er schaut uns freundlich an und darum endet jeder Gottesdienst in der Kirche mit diesem Versprechen. Gott schaut euch an! Man nennt es Segen. Und der sagt:

„Der Herr segne dich und behüte dich,
er lasse sein Angesicht leuchten über dir
und sei dir gnädig.
Er erhebe sein Angesicht auf dich
und schenke dir Frieden!“

Und das gilt nicht nur für die Schulzeit.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=30338
weiterlesen...