Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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14FEB2020
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„Alles, was du liebst, geht sehr wahrscheinlich verloren.“ Das sagt Franz Kafka.

Ein harter Satz. Noch dazu heute am Valentinstag, dem Tag für Verliebte und Liebende.

Ich will den Tag niemandem vermiesen, aber ich weiß, dass er für manche schwer ist. Für die, die sich gerade getrennt haben. Oder für die, die sogar den Tod eines geliebten Menschen verkraften müssen. Dann weiß man nur zu gut, wie es sich anfühlt, das verloren zu haben, was man liebt.

„Alles, was du liebst, geht sehr wahrscheinlich verloren.“

Ich bin keine Kafka-Expertin. Aber wenn jemand so einen Satz schreibt, vermute ich, dass derjenige weiß, was es bedeutet, etwas Liebgewonnenes zu verlieren. Wie weh das tun kann.

In einer Geschichte, in der Kafka selbst die Hauptperson ist, entdecke ich aber noch etwas Anderes. Darin wird deutlich, dass die Liebe sich mit dem Leben verändert. Und dass sie Wege findet, mit denen ich nicht gerechnet habe.

Und so geht diese Geschichte:

Kafka trifft im Park ein Mädchen, das herzzerreißend weint, weil es seine Puppe verloren hat. Und weil das Mädchen allein unterwegs ist, bietet er an, bei der Suche nach der Puppe zu helfen. Die beiden suchen und suchen, können die Puppe aber nicht finden. Um das Mädchen zu trösten, schreibt er im Namen der Puppe einen Brief. Darin steht: „Bitte weine nicht, ich bin auf eine Reise gegangen, um die Welt zu sehen. Ich werde dir von meinen Abenteuern schreiben …“.

Das ist der Anfang vieler Briefe.

Immer wieder treffen sich Kafka und das Mädchen und jedes Mal liest er ihr einen Brief vor, in dem die geliebte Puppe von ihren Abenteuern berichtet. Als die Treffen irgendwann zu Ende gehen, schenkt er dem Mädchen zum Abschied eine neue Puppe. Doch anstatt sich zu freuen, ist die Kleine enttäuscht und sagt: "Die sieht meiner Puppe überhaupt nicht ähnlich“. Kafka ist darauf vorbereitet und übergibt ihr einen weiteren Brief, in dem die Puppe erklärt: „Meine Reisen – sie haben mich verändert … “

Viele Jahre später findet das inzwischen erwachsene Mädchen einen Brief in einem vorher unbemerkten Riss im Handgelenk der Puppe. In diesem winzigen Brief steht: „Alles, was du liebst, geht sehr wahrscheinlich verloren, aber am Ende wird die Liebe auf andere Weise zurückkehren.“

Besser hätte ich meine Hoffnung auf Gottes Liebe in meinem Leben und darüber hinaus auch nicht ausdrücken können.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=30320
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