SWR2 Wort zum Tag

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07FEB2020
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In einem Hotelzimmer habe ich den Sinnspruch gelesen: „Das einzige, was sich verdoppelt, wenn man es teilt, ist Glück.“ Eigentlich sind mir solche Sprüche oft zu bieder und belehrend. Aber dieser hat mich doch beschäftigt. „Das einzige, was sich verdoppelt, wenn man es teilt, ist Glück.“ Im ersten Moment will ich dem widersprechen. Wenn ich Glück habe, will ich es doch festhalten. Ich will das alles so bleibt, wie es ist. Aber gleichzeitig weiß ich: dass ich einen Urlaub erlebe, in dem das Hotel, das Wetter und die Leute um mich herum passen, dass ich gesund bin, das kann ich nicht festhalten. So sehr ich es vielleicht will. Und trotzdem ist es nicht weg. Das merke ich, wenn ich von dem schönen Urlaub erzähle oder von dem Familienfest vom letzten Wochenende. Da ziehen diese Glücksmomente nochmals an mir vorbei und ich bin wieder von dem Glücksgefühl erfüllt, das ich in dem Moment hatte, als ich es erlebt habe.

Wie aber kann ich mein Glück teilen? Wenn das Glück aus materiellen Dingen besteht, geht das ganz gut: Wenn ich eine Gehaltserhöhung bekomme, kann ich von meinem ersten Gehalt etwas an eine Einrichtung schenken, die Menschen in Armut hilft. Aber es gibt auch Glück, das ich nicht materiell fassen kann. Zum Beispiel das große Glück, wenn ich eine gelingende Partnerschaft lebe und Freunde habe, die zum mir halten, die mich unterstützen, wenn ich krank bin. Von diesem Glück kann ich ja nichts abschneiden und eine Scheibe davon abgeben. Was ich aber weitergeben kann, ist das Glücksgefühl, das ich habe: Wenn ich mir bewusst bin, dass Gott es gut mit mir meint. Alles in allem, im Auf und Ab meines Lebens. In solchen Momenten, wo ich das spüre, versuche ich, es zu teilen, indem ich für gute Stimmung sorge: Dass ich mit Humor reagiere, wenn etwas nicht so läuft, wie ich es wünsche, oder dass ich die Leute, mit denen ich zu tun habe, aus ihrem Alltagstrott raushole. Und das geht auch mit dem kleinen banalen Glück:

Wenn ich heute zum Beispiel in der Mittagspause wieder in meine Stammbäckerei gehe und die Verkäuferinnen treffe, die ich regelmäßig dort sehe; und wenn dann noch eine von meinen Lieblingsbrezeln mit Ananas und Käse überbacken für mich übrig ist. Und wenn nicht, dann nehm‘ ich es nicht als Zeichen dafür, dass heute alles schiefläuft, sondern ich spreche kurz mit der Verkäuferin darüber, wie ihr Tag bisher war. Das ist für mich auch Glück: dieser kurze freundliche Austausch an der Kasse. Wenn „meine“ Brezeln schon aus waren, habe ich mich so schon oft von ihrer guten Laune anstecken lassen und wie ihr fröhlicher Wunsch für ein schönes Wochenende noch in mir nachklingt, wenn ich aus dem Laden komme. Und dann stimmt der Satz: „Das einzige, was sich verdoppelt, wenn man es teilt, ist Glück.“ Es vervielfacht sich sogar, weil ich oft auch wieder etwas zurückbekomme. Ich vermute, dass Glück nicht das einzige ist, das sich beim Teilen vermehrt. Mir fallen da noch andere Beispiele ein: Gelassenheit und Liebe.

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