SWR2 Wort zum Tag

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29JAN2020
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Menschen, die allein leben, werden oftmals deswegen bedauert. Dabei kann Allein-Sein und Für-sich-sein ein Ausdruck von Kraft und Stärke sein. Doch neben solchen starken Alleinstehenden gibt es Einsame. Die leiden unter Einsamkeit.

„Ich bin einsam und elend“, heißt es im Psalm 25 (V.6). Elend ist hier ein Synonym für Einsamkeit. Elend bedeutet soviel wie „ohne Land“ sein, also leben ohne in einem Gefüge verwurzelt zu sein, ohne Zugehörigkeitsgefühl zu einer größeren Gemeinschaft. Zum Wohnort, zu einem Verein oder zu einer Glaubensgemeinschaft.

Einsamkeit hat viele Gesichter: eine Partnerschaft zerbricht; der Wunsch nach Zweisamkeit ist unerfüllt; es fehlen Freunde und Kontakte. Einsamkeit ist mittlerweile eine verbreitete Krankheit und als solche anerkannt.

Wenn ich in die Bibel schaue, überrascht mich, wie selten Einsamkeit als Wort oder auch als Lebenserfahrung vorkommt. Einsamkeit – so verbreitet, wie heute – ist offenbar ein Phänomen in modernen Gesellschaften.

Und doch wird von Anfang in der Bibel betont: „Es ist nicht gut, dass der Mensch allein ist.“ Immer wieder wird deshalb appelliert: Bleibt zusammen! Steht zueinander!

Lasst Witwen und Waisen nicht im Stich! Knüpft und festigt untereinander das Band der Liebe! Und wie viele persönliche Grüße richtet Paulus in seinen Briefen aus - und vernetzt so die verstreut lebende Gemeinschaft. Einsamkeit ist offenbar kein Schicksal. Es kommt auch darauf an, wie Menschen miteinander umgehen.

Jahrelang hab ich eine alte Frau besucht, die nicht mehr auf die Straße konnte. Die Treppe im Haus war für sie ein unüberwindbares Hindernis. Sie war Verkäuferin, nun Rentnerin, verwitwet, und der einzige Sohn wohnte sehr weit weg. Trotzdem hatte sie ein so strahlendes Gemüt. Sie aquarellierte, sie hörte Radio, sie freute sich auf den Hausbesuch ihrer Ärztin - und war oft mit ehemaligen Kolleginnen am Telefon verbunden. Ihr war es gelungen, Verbindungen nach außen zu knüpfen. Und die außen haben sie nicht im Stich gelassen. Eine geistreiche Frau, hochbetagt, die bis zuletzt in ihrer kleinen Wohnung Raum hatte für ihre Begabungen und Freuden.

Ob mir das auch einmal so gelingt? Mir hilft ihr Beispiel: Ich brauche auch Gemeinschaft - den Austausch mit Anderen über das, was ich denke, lese - wünsche und befürchte. Auch darum ist es mir so wichtig, mit Anderen verbunden zu sein.
wasSei es per Telefon, per Post oder durch Mails und Besuche. Alles Netze gegen Einsamkeit. Schon jetzt.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=30231
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