SWR2 Lied zum Sonntag

SWR2 Lied zum Sonntag

19JAN2020
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Du bist heilig, du bringst Heil, bist die Fülle, wir ein Teil der Geschichte, die du webst. Gott, wir danken dir, du lebst. 

„Du bist heilig.“ Eine Liedzeile, die vielleicht bekannt vorkommen mag. Und doch irritiert. Wer oder was ist hier eigentlich heilig – und was heißt das?

Das Lied des schwedischen Pastors Per Harling (*1948) nimmt Anleihen bei einem zentralen Text der christlichen Liturgie. Dem »Sanctus«. Das Sanctus gehört zu den ältesten Texten des christlichen Gottesdienstes und ist auch unzählige Male vertont worden. Im Sanctus bringt sich die Gemeinde in die Liturgie ein. Dort heißt es: „Heilig, heilig, heilig, Gott, Herr aller Mächte und Gewalten.“ Heilig ist also Gott

Du bist heilig, du bringst Heil, bist die Fülle, wir ein Teil der Geschichte, die du webst, Gott, wir danken dir, du lebst mitten unter uns im Geist, der Lebendigkeit verheißt, kommst zu uns in Brot und Wein, schenkst uns deine Liebe ein.  

„Du bist heilig“. Eine steile Aussage. Gemeint ist mit ihr Gott. Denn es heißt im Text weiter: „du bringst Heil, bist die Fülle, wir ein Teil der Geschichte, die du webst, Gott wir danken dir.“ Heilig heißt, dass jemand oder etwas zum Göttlichen, zum Vollkommenen gehört. Wenn der Mensch Gottes Ebenbild ist, dann heißt das aber auch: Jeder Mensch ist heilig, ist Teil des Göttlichen. Die Liedzeile „Du bist heilig“ lässt sich also auch auf den Menschen münzen. Der Mensch: heilig? Das klingt hochtrabend. Gemeint aber ist: Jeder Mensch ist etwas Besonderes, Wertvolles. Für andere Menschen und erst recht in den Augen Gottes. 

Du bist heilig. Alle Welt schaue auf dich. / Halleluja, halleluja für dich.  

Harlings Text in der Übersetzung von Fritz Baltruweit macht deutlich: Gott und Mensch sind heilig. Wenn gesungen wird Du bist heilig, du bringst Heil, bist die Fülle, wir ein Teil der Geschichte, die du webst, dann heißt das: Alle Menschen sind Teil der Geschichte, die Gott wie auf einem Webstuhl weiter und weiter webt. Das illustriert das Lied musikalisch: Denn verschiedene Texte und Melodien werden ineinander verwoben. Da ist das Lob Gottes: Du bist heilig, Halleluja, du, Gott, bist die Fülle. Und da ist der Blick auf den Menschen: seine Geschichte, seine Sehnsucht nach Leben, nach Liebe. So schieben sich das Lob Gottes und die Geschichte des Menschen ineinander.

Du bist heilig, du bringst Heil, bist die Fülle, wir ein Teil der Geschichte, die du webst, Gott, wir danken dir, du lebst mitten unter uns im Geist, der Lebendigkeit verheißt, kommst zu uns in Brot und Wein, schenkst uns deine Liebe ein.

Du bist heilig. Alle Welt schaue auf dich. / Halleluja, halleluja für dich.  

Menschen haben Teil an der Geschichte Gottes. Für mich ist das mehr als nur eine fromme Aussage. Sie ist politisch. Denn wenn ich glaube, dass jeder Mensch heilig ist, dann hat das Folgen. Dann ist jeder Mensch wertvoll. Jeder Mensch ist zu schützen. Wer dieses Lied singt, dem kann es nicht egal sein, wenn Menschen flüchten müssen, im Mittelmeer ertrinken, unter Krieg leiden, nichts zu essen haben. Wer das Lied singen will, der muss sich bewusst sein: Christsein hat Konsequenzen.

 

Du bist heilig
Text und Musik: Per Harling
Deutsche Übersetzung: Fritz Baltruweit
aus: Gott gab uns Atem, 2013
© tvd-Verlag Düsseldorf, LC 05648
Rechte für Text und Musik: Ton-Vis-Produktion Per Harling, Uppsala
Rechte für die Übersetzung: tvd-Verlag Düsseldorf

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