SWR2 Wort zum Tag

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16JAN2020
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„Ich glaube – hilf meinem Unglauben.“ Das steht als biblisches Motto über dem Jahr 2020. „Jahreslosung“ nennt sich das. Sie wird seit fast 300 Jahren von der Herrnhuter Brüdergemeine ausgegeben. Ein per Los gezogenes Bibelwort, ein Leitmotiv – zum Bedenken, zum Nachdenken, zur Orientierung.

„Ich glaube – hilf meinem Unglauben.“ Der biblische Zusammenhang führt in eine Geschichte aus dem Neuen Testament: Der Vater eines wahrscheinlich an Epilepsie leidenden Jungen ist verzweifelt. Niemand kann dem Jungen helfen. Epilepsie war damals unbekannt, ebenso therapeutische Maßnahmen oder Medikamente. Man hielt es für eine Art dämonischer Besessenheit.

In seiner Not wendet sich der Vater an Jesus: „Wenn du kannst, so erbarme dich und hilf.“ Jesus reagiert zunächst scheinbar distanziert: „Was heißt das: Wenn du kannst…? Alle Dinge sind möglich dem, der glaubt.“ Und darauf fällt der Satz aus dem Mund des Vaters: „Ich glaube – hilf meinem Unglauben.“

Was mich fasziniert an diesem Satz ist, dass er kein vollmundiges, laut tönendes Glaubensbekenntnis ist, sondern ein zaghaft und realistisch vorgetragenes Selbstzeugnis. Der Vater nimmt all seine Hoffnung zusammen; ja, er vertraut Jesus, dass er etwas tun kann. Aber er weiß zugleich um die Ohnmacht seines Vertrauens, um seinen Glauben auf der Kippe.

Hier geht es nicht darum, einen starken Glauben zu rühmen und Unglauben zu verurteilen. Hier geht es um die Wahrheit des Glaubens – und die besteht darin, dass ich mich oft genug in allem Vertrauen auf Gott als schwach, als ohnmächtig, als kleingläubig empfinde. Und das darf auch so sein, denn wir sind Menschen und nicht Gott.

Wird mein Gebet um Heilung den gewünschten Erfolg bringen? Werden sich die Herzen der Menschen, die Böses im Sinn haben, zum Guten kehren, und so die Welt sich zu einem friedlichen und gerechten Lebensort wandeln? Manchmal glaube ich es und manchmal auch wieder nicht. Glaube und Zweifel, Resignation und Hoffnung gehen mitten durch mich hindurch. Aber ich kann es tun wie der Vater des kranken Kindes in der Geschichte aus dem Evangelium: diese meine missliche und so gemischte Lage einfach Gott anvertrauen – im Gebet.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=30192
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