Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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10JAN2020
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4000 Kinder leben im Lager Moria in Griechenland in Dreck, Regen und Kälte, in notdürftigen Zelten, ohne Eltern oder Verwandte. Sie haben Durchfall und Husten, sind unterkühlt, schmutzig und verwahrlost. Manchmal stelle ich mir vor, meine Kinder wären darunter oder meine Enkel. Ich würde alles tun, um sie da rauszuholen.

Das sagen ja manche, dass man sie holen muss. Wenigstens die Kinder. Manche Bundesländer wären bereit, einen Teil von ihnen aufzunehmen. Ohne Zweifel würde ein wohlhabendes Land wie die Bundesrepublik das schaffen. Aber die Regierung sagt: Die Lage sei zwar „prekär“ und „nicht tragbar“ – aber bis es eine europäische Lösung gibt, müsse man das Elend leider aushalten. Wer ist „man“? Die Männer in Schlips und Kragen, die das sagen? Was müssen die aushalten?

Natürlich weiß ich, dass es Gründe gibt. Es gibt noch weitere Lager – was ist mit den Kindern dort? Deutschland hat schon so viele aufgenommen, andere Länder weigern sich beharrlich… Verstehe ich alles.

Aber ich denke auch: Europa ist mehrheitlich ein christlicher Kontinent. Gerade haben wir mit viel Aufwand die Geburt eines einzigen Kindes gefeiert– zur Welt gekommen auch in prekären Verhältnissen in einem Stall. Und der christliche Wert, den die meisten zuallererst nennen, ist die Nächstenliebe. Sie erinnern sich vielleicht, Jesus hat davon erzählt. Da lag ein Mann, von Räubern überfallen, hilflos und elend am Straßenrand. Zwei angesehene Bürger, sicher wohlhabend, sind vorbei gegangen. Sie hatten Gründe, ganz bestimmt. Dann kam ein dritter, der hat den Verletzten gesehen und verbunden, ihn mitgenommen und in einem Gasthaus sicher untergebracht. Wenn dieser barmherzige Samariter nun gesagt hätte: Sollen doch erst mal die anderen? Oder: Aber nur, wenn die anderen auch mitmachen? Oder: Wer weiß, was das für Schwierigkeiten und Ärger bringt?

Der Samariter hat das Elend gesehen. Den Menschen, dem niemand geholfen hat. Nun war er der Nächste.

Mit dieser Geschichte hat Jesus erklärt, was Nächstenliebe heißt. Ich weiß, viele sagen: Das ist eine ehrenwerte Gesinnung. Aber für die Realität müssen wir vernünftig bleiben. Aber ich überlege mir auch: Wenn meine Enkel nun dieser Art von Vernunft ausgeliefert wären – und im Lager aushalten müssten, weil andere im Warmen sitzen und finden: das muss man jetzt aushalten?

Ich kenne all die Gründe, die es gibt, nicht zu helfen. Trotzdem finde ich: Zuerst muss man diesen Kindern helfen. Dann kann man weitersehen. Selig sind die Barmherzigen haben wir Christen von Jesus gelernt. Gott wird denen beistehen, die barmherzig sind.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=30111
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