SWR2 Wort zum Tag

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18DEZ2019
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2000 Lichtjahre ist sie entfernt – die Sonne Chi im Sternbild des Fuhrmanns. Sie ist einer der am weitesten entfernten Sterne, die wir mit bloßem Auge gerade noch erkennen können. 2000 Lichtjahre entfernt, das bedeutet: Das Licht, das ich heute sehe, hat der Stern vor 2000 Jahren losgeschickt. Ein wunderbares Bild für das, was der Advent meint. Ein Ereignis vor 2000 Jahren, irgendwo der judäischen Provinz, beschäftigt mich bis heute.

Mehr noch: Es beschäftigt unzählige Menschen. Denn viele zelebrieren diese vorweihnachtlichen Tage geradezu. Wenn ich bei Dunkelheit durch die Straßen unserer Stadt laufen, sehe ich: Viele Wohnungen sind in Licht getaucht. Birnchen, die in allen Farben blinken. Oder kleine Leuchten, die den Baum im Vorgarten zieren.

Ich weiß sehr wohl, dass diese vielen Lichter nicht einfach nur einer adventlichen Gesinnung zu verdanken sind. Aber Sehnsuchtslichter sind sie allemal. Lichter, die nicht einfach nur die Wohnung hell machen sollen. Sehnsuchtslichter sind sie für mich, weil sie der Welt einen Glanz verleihen. Weil sie alles in ein neues Licht tauchen sollen.

Das ist für mich also das Schöne und auch das Spannende an diesen Tagen des Advent: Ich kann sehen, wie Menschen sich ihre Welt wünschen. Heller soll sie sein. Glanz soll von ihr ausgehen. Mit der Wohnung und den Straßen ist das ja noch einigermaßen einfach. Aber mit dem eigenen Leben wird’s schon schwieriger. Wie kann ich andere Menschen in einem neuen Licht sehen? Wie erscheine ich selber in neuem Glanz?

Das geht am besten, wenn ich mir überlege, was den Menschen, der mir begegnet ausmacht, jenseits all dessen, was ich vor Augen habe und von ihm weiß. Ich muss Menschen mit einem Blick anschauen, der ihnen in meinen Augen Glanz verleiht. Der schweizer Dichter Kurt Marti hat dafür schöne Worte gefunden. Er wendet sich an Gott mit den Worten: „Gib, dass ich im Süchtigen die Sehnsüchtige und im Schwarzmaler den Licht- und Farbenhungrigen erkenne.“

Ähnlich ist das auch mit dem Blick auf die Sonne Chi im Sternbild Fuhrmanns. Was mir vorkommt wie irgendein Sternenlicht, das ist genau das Licht, das dieser Stern ausgestrahlt hat – damals, als sich ereignet hat, was wir an Weihnachten feiern. Also wirklich ein besonderes Licht, das wir diesem Stern verdanken. Irgendwie also doch: Wir haben glänzende Aussichten.

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