SWR2 Wort zum Tag

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17DEZ2019
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„Träume gehen nicht in Rente!“ In einer Kunstausstellung habe ich diesen Satz unlängst gelesen. Und er hat mich seitdem nicht mehr losgelassen. Vielleicht auch deshalb, weil im vergangenen Monat gleich drei Menschen in meinem Umfeld in Rente gegangen sind.

Aber das ist nicht der alleinige Grund. Regelrecht unter die Haut gegangen ist mir vor allem die kühne Botschaft dieses Satzes. Träume verschwinden nicht einfach zum Stichtag. Sie verdunsten nicht innerhalb von 24 Stunden. Sie markieren die Hoffnungspunkte in meiner Seele. Sie sprengen die Grenzen, vor die mich die Realität immer wieder stellt.

Träume sind so etwas wie ein inneres Gerüst. Das, was mich ausmacht jenseits all dessen, was meine Mitmenschen an mir wahrnehmen können. Das, was sich in meinem Leben in der Öffentlichkeit abspielt. Mein Beruf. Meine Familie.

Diese Träume nehme ich überallhin mit. Über alle Grenzen hinweg. Ich bin sicher, auch über die Grenze des Todes. Die Träume von einer Welt, in der Menschen achtsam miteinander umgehen. In der „Friede und Gerechtigkeit sich küssen“ (Psalm 85,11), wie es in einem alten Psalm-Gebet heißt. Die Träume von einer Welt, in der sich etwas widerspiegelt von dem, was Jesus als „Reich Gottes“ bezeichnet hat.

„Dieses Reich Gottes, diese neue Welt, die so ist, wie Gott sie gemeint hat – sie ist schon ganz nah.“ (Markus 1,15) Das war die Botschaft, mit der Jesus sich ein ums andere Mal an die Menschen gewandt hat. Im Gespräch mit Menschen finde ich oft wenig von dieser Erwartungshaltung. Die Träume sind nicht in Rente geschickt worden. Es gibt sie noch. Aber ihnen geht irgendwie die Luft aus. Da soll eine vom Zerbrechen bedrohte Beziehung wieder heilen. Aber keiner tut etwas dafür. Da rückt uns der Klimawandel immer mehr auf die Pelle und ich träume von einer wieder heil gewordenen Welt. Aber mein Verhalten habe ich noch nicht wirklich geändert. Dass das Reich Gottes nahe ist, das muss meine Hoffnungen und Sehnsüchte doch beflügeln. Muss meine Träume von der Rente weg mitten ins Leben ziehen.

Und mit einem Mal wird dieser Satz von den Träumen, die nicht in Rente gehen, ein Wort des Zuspruchs. „Du musst deine Träume nicht in Rente schicken. Du musst ihnen zu ihrem Recht verhelfen. Und wach werden und aufstehen, damit sie wirklich werden können.“

https://www.kirche-im-swr.de/?m=29970
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