SWR2 Wort zum Tag

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14DEZ2019
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Jeden Tag eine Viertelstunde Warten. Das habe ich mir für den Advent vorgenommen.

Klar warte ich im Advent auf Weihnachten, aber in dieser Viertelstunde nicht: da warte ich auf Gott.

Die Idee dazu kam mir als ich ein Gebet wieder gelesen habe, das mir lange Zeit sehr wichtig war.[1]Darin heißt es an einer Stelle an Gott gerichtet: „Ich warte auf dich - erwartungsvoll. Dukommstauf mich zu, und ich lasse mich von dir tragen.” Das Gebet wird Dag Hammerskjöld zugeschrieben, der Generalsekretär der Vereinten Nationen war.

Das Gebet ist wie eine Anleitung an mich selbst geschrieben. Ich lese es Zeile für Zeile und versuche es umzusetzen. Ich folge dem Text und setze mich zu Beginn aufrecht und entspannt hin und nehme meinen eigenen Körper wahr. Dann bemühe ich mich mit meiner Aufmerksamkeit ganz da zu sein. In der Regel fallen mir dann alle möglichen Sachen ein, vor allem, was ich noch zu erledigen habe. Dann lese ich die nächsten Zeilen des Gebets: „In diesem gegenwärtigen Augenblick lasse ich alle meine Pläne, Sorgen und Ängste los. Ich lege sie jetzt in deine Hände, Herr. Ich lockere den Griff, mit dem ich sie halte, und lasse sie dir. Für den Augenblick überlasse ich sie dir.“

Manchmal gelingt es mir dann tatsächlich meine Pläne, Sorgen und Ängste loszulassen. Manchmal aber auch nicht. Aber ich mache Fortschritte. Es scheint auch eine Frage der Übung zu sein. Tatsächlich gelingt es mir inzwischen oft besser als am Anfang.

Und dann, wenn ich diesen Schritt geschafft habe, warte ich auf Gott - erwartungsvoll.

Das Gebet schickt mich dazu auf eine Reise nach innen, „zum innersten Kern meines Seins“. Für mich ist das der Punkt, an dem ich ganz bei mir selbst bin, nur dasitze und atme. Dort wohnt Gott, sagt das Gebet mit folgenden Worten: „An diesem tiefsten Punkt meines Wesens bist du, Gott, immer schon vor mir da, schaffst, belebst und stärkst ohne Unterlass meine ganze Person.“

Und dann bin ich einfach für ein paar Minuten still. Ich frage mich, was dann passiert. Kommt Gott tatsächlich auf mich zu? Ich weiß es nicht. Ich erkenne ihn selbst nicht, sondern nur die Wirkung. Wenn es mir gelingt, wirklich zu mir selbst zu kommen, fühle ich mich getragen.

An dieser Stelle könnte das Gebet enden. Aber es geht weiter: Es spricht davon, dass ich wieder die Reise nach draußen antrete und meine Sorgen, Ängste und Pläne wieder aufnehme. Ich übernehme wieder die Verantwortung für meine Zukunft.

Aber es hat sich etwas verändert. Ich bin vertraue darauf, dass Gott mit dabei ist.

 

[1]Der Text des Gebets findet sich in z.T. unterschiedlichen Versionen im Internet z.B. unter https://meditationwestfalen.de/ich-sitze-hier-vor-dir-gott/

https://www.kirche-im-swr.de/?m=29937
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