SWR2 Wort zum Tag

SWR2 Wort zum Tag

13DEZ2019
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Ein junges Paar ist zu Fuß unterwegs. Sie ist hochschwanger. Die beiden haben nur das Nötigste dabei. Gerade so viel, wie sie eben tragen können. Am Zielort angekommen finden sie keine angemessene Bleibe. Irgendwo in einem Unterschlupf kommt das Kind zur Welt. Nur wenig später muss die junge Familie fliehen. Soldaten suchen genau ihr Kind und ziehen durch die Dörfer und töten alle Kleinkinder. Aus Angst um das Leben ihres Babys brechen sie mitten in der Nacht auf. Sie hoffen im Nachbarland sicher zu sein.

So schildern das Lukas- und Matthäusevangelium, was sich rund um die Geburt Jesu ereignet hat. Alle Jahre wieder höre ich diese Geschichte. Ich habe mich an sie gewöhnt. Es ist die Weihnachtsgeschichte, nicht die Geschichte einer jungen Frau, die ihr Kind unter unwürdigen Umständen zur Welt bringen muss. Der Stall ist mir vertraut aus vielen Krippendarstellungen. Da wirkt er immer warm und gemütlich und das Kind scheint geborgen. Das lässt mich schnell vergessen, dass ein Kind eigentlich nicht in einem Stall zur Welt kommen soll. Und die Geschichte von der anschließenden Flucht. Eher eine Randnotiz, die an Weihnachten keine Rolle spielt.

Bald ist es wieder soweit. Ich freue mich darauf. Noch mehr als ich freuen sich meine Kinder. Sie proben schon fürs Krippenspiel. Auch für sie ist es eine schöne Geschichte und ich glaube, das ist gut so. Mich beschäftigt aber immer mehr, dass sich ganz ähnliche Geschichten täglich in unserer Welt abspielen. Geschichten, in denen es alles andere als schön, warm und geborgen zugeht.

Während ich mich auf Weihnachten vorbereite, geht es Menschen genauso wie Maria und Josef. Sie suchen nach einem Platz zum Leben oder wenigstens zum Schlafen und können keinen finden. Zu vielen Kindern geht es wie dem Kind in der Krippe: Sie kommen an Orten zur Welt, die nicht dafür geeignet sind. Menschen fliehen aus Angst um ihr Leben oder weil sie ein besseres Leben für sich und ihre Kinder suchen. Manche von ihnen sterben auf der Flucht, andere stranden in Flüchtlingslagern. Dort leben sie dann unter katastrophalen Bedingungen und ohne Perspektive.

Ich weiß, dass ich die Welt nicht retten kann und doch will ich es nicht einfach hinnehmen. Ich wehre mich dagegen, mich damit abzufinden. Aber was kann ich tun? Ich spende einen Teil von dem, was ich habe an Hilfsorganisationen. Ich engagiere mich für Menschen, die zu uns geflüchtet sind. Vor kurzem haben wir in einem Requiem der Toten an den EU-Grenzen gedacht, damit ihre Schicksale nicht vergessen werden.

Es sind nur kleine Schritte, manchmal scheinen sie mir viel zu klein. Reicht etwas Kleines aus, um wirklich etwas zu verändern? Ich werde an Weihnachten das kleine Kind in der Krippe fragen.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=29936
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