SWR4 Abendgedanken

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21NOV2019
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Mein Lieblingsladen in unserem Ort ist das kleine Blumengeschäft. Die Frauen, die dort arbeiten verstehen es, aus nur drei, vier Blüten einen Blumenstrauß zu zaubern, der Herz und Seele erfreut. Gerade jetzt in den trüben Novembertagen bin ich gerne dort. Irgendwie leuchtet und strahlt es aus dem Geschäft heraus. Es ist wie ein Blick in ein Schaufenster von Gottes Schöpfung - verschiedene Rosen, Nelken – jetzt um diese Jahreszeit ganz unterschiedlich Amaryllisblüten. Eine Pracht. Im Grunde genommen gehe ich nicht nur wegen der Blumen gerne in das Geschäft, sondern weil die Atmosphäre dort besonders ist.

Das liegt vor allen Dingen an den Mitarbeiterinnen. Ganz gleich wer als Kundin oder Kunde vor ihnen steht, sie lassen sich auf das Gegenüber ein: Der junge Mann, der sich verlegen umschaut und sehr nervös ist, macht sich am Ende mit einer wunderschönen roten Rose auf den Weg und strahlt – und alle anderen im Laden auch. Die ältere Dame hat ein paar Zweige für das Grab ihrer Freundin gesucht und sich bei der Auswahl durch die Fragen der Verkäuferin an deren Lieblingsfarbe erinnert. Eine Frau mit kleinen Kindern holt einen großen bunten Geburtstagsstrauß für die Oma. Zu ihren Kindern sagt sie: „Oma, hat viel mit mir gemacht als ich so alt war wie ihr! Das war toll.“ In den paar Minuten, in denen ich in dem Blumenladen bin, spüre ich viel Leben. Es geht um Freude und Dankbarkeit, um Liebe aber auch um Trauer. Darum bin ich so gerne da. Die Verkäuferinnen geben den Gefühlen ihrer Kunden eine Gestalt.

In der Bibel heißt es: Lasst uns aufeinander achten und uns zur Liebe und zu guten Taten anspornen. (Hebr. 10.24) Dieses „aufeinander achten“ bewegt mich. Denn oft denke ich an jemanden, aber meine Gedanken kommen gar nicht bei demjenigen an. Wie sage ich der Freundin, dass ich mich um sie sorge, ohne sie zu überfallen? Wie sage ich nach Jahren, dass ich sehr dankbar dafür bin wie ein Mensch sich um mich gekümmert hat? Wie drücke ich meine Trauer aus, wenn mir Worte fehlen? „Lasst uns aufeinander achten!“ Ein kleiner Blumengruß könnte ein Weg dafür sein. Er sagt ohne viele Worte: „Du bist mir wichtig und liegst mit am Herzen!“

https://www.kirche-im-swr.de/?m=29809
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