Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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18OKT2019
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„Kein Mensch kann die Zunge bändigen. Sie ist ein rastloses Übel voll tödlichen Gifts.“ (Jak 3,8) Das hat ein Gemeindeleiter an die Christenheit im ersten Jahrhundert geschrieben. Anscheinend hatten sie schon damals Probleme mit der Kommunikation. Jakobus hatte klar erkannt : Mit bösen Worten kann man eine Gemeinschaft zerstören, genauso wie mit Lügen und Verleumdungen.

Die Zunge – ein Übel voll mit tödlichem Gift. Damals war die Zunge das wichtigste Werkzeug, mit dem sich Menschen verständigen konnten. Heute haben die sozialen Medien diese Rolle übernommen. Twitter, whatsapp und facebook – damit kann man blitzschnell Aufmerksamkeit erlangen und sich verständlich machen. Und auch die stecken tatsächlich voll mit tödlichem Gift.

Zwei Beispiele aus der letzten Zeit haben mich erschreckt. Die Politikerin Renate Künast ist immer wieder übelst beleidigt worden. Ich mag heute Morgen nicht wiederholen, wie übel man sie beschimpft hat. Ein Gericht hat jetzt entschieden, das sei zwar geschmacklos und eine drastische Beleidigung. Aber als Meinungsäußerung müsse Frau Kienast das hinnehmen. Das andere Beispiel ist Greta Thunberg. Als hysterische Göre wird sie beschimpft und einer hat gefragt: „warum geht sie nicht einfach sterben?“.

Stellen sie sich mal vor, das würde jemand an ihrem Arbeitsplatz zu Ihnen sagen oder auf facebook über Sie schreiben. Wie würden Sie reagieren? Ich wäre wahrscheinlich verletzt und wie gelähmt von diesem tödlichen Gift. Und müsste mich dafür dann wahrscheinlich wieder beschimpfen und lächerlich machen lassen.

Tödliches Gift. In den sozialen Netzen werden Menschen beleidigt und niedergemacht. So wird die Atmosphäre in unserem Land vergiftet. Kein Wunder, wenn irgendwer dann auf die Idee kommt, in die Tat umzusetzen, was zuerst nur gewalttätige Worte waren.

Was kann man tun? Jener Jakobus aus dem ersten Jahrhundert hat es auf den Punkt gebracht, finde ich. Er hat geschrieben: „Wenn ihr bitteren Neid und Eigennutz in euren Herzen tragt, dann sollt ihr euch deswegen nicht auch noch für überlegen halten und die Wahrheit damit verdrehen.“ (Jak 3, 14) Gegen solchen Neid bittet Jakobus um Weisheit für die Menschen. Weisheit, schreibt er, kommt von Gott. Und sie ist vor allem anderen auf Frieden bedacht. Deshalb ist sie gütig und sanft, unparteiisch und aufrichtig. 

Solche Weisheit könnte vielleicht helfen, wenn wir es mit dem tödlichen Gift der sozialen Medien zu tun haben. Wenn man sich selbst nicht hinreißen lässt – ich hoffe immer noch, dass das auch die anderen beruhigt. Und die Kommunikation entgiftet.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=29594
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