Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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19OKT2019
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„Das kannst du noch nicht. Dazu bist du noch zu klein.“ Als Kind habe ich diesen Satz oft gehört. Aber: Sind Kinder wirklich nur die Kleinen, Unfertigen, noch begrenzt in ihren Möglichkeiten. Oder haben sie vielleicht etwas, das wir Erwachsenen verloren haben?

Ich war zu der Verabschiedung eines Kollegen eingeladen. Nach dem Gottesdienst haben wir uns alle zum Empfang in der Turnhalle getroffen – dort gab es Sekt, Kaffee und Kuchen und natürlich Grußworte. Das war zum Teil lustig und anrührend, aber vor allem wurde es sehr lang. Es war viel zu warm und mir tat schon der Rücken weh vom langen Stehen.

Irgendwann kam der katholische Kollege an die Reihe. Er hat nicht viel geredet, sondern zur Gitarre gegriffen und ein modernes, rhythmisches Lied gesungen. Nach kurzer Zeit war mir zum Mitsingen zu Mute, oder zum -Klatschen. Aber die anderen haben alle mit unbewegter Miene gelauscht und steif dagestanden, da habe ich mich nicht getraut.

Nur ein kleines Mädchen ging sofort mit. Sie trug ein knallbuntes Kleid und lief schon die ganze Zeit auf nackten Füßen durch die Halle. Ihre Bewegungen waren noch etwas eckig, offenbar hat sie erst vor kurzer Zeit laufen gelernt. Aber auch wenn das alles noch wackelig war – jetzt hat sie im Takt in den Knien gewippt, die Arme gehoben und versucht zu klatschen. Sie hat gestrahlt und gejuchzt und hatte wirklich Spaß.

Da habe ich mich gefragt: Wer ist denn nun begrenzt in seinen Möglichkeiten? Und wer ist frei?? Die gescheiten, starken Erwachsenen, oder das kleine Mädchen?
Kann es sein, dass wir auf dem Weg zum Großwerden Kreativität und Spontaneität verlieren?

Jesus hat jedenfalls die Kinder nicht klein gemacht und gesagt: „Dazu bist du noch zu klein“. Stattdessen hat er die Großen erinnert: „Wenn ihr nicht werdet wie die Kinder, bleibt euch das Himmelreich verschlossen.“

Schade, dass ich nicht mitgesungen und geklatscht habe damals in der Turnhalle, sondern gedacht habe, das wär peinlich. Gott hätte es bestimmt gefreut.

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