SWR2 Wort zum Tag

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15OKT2019
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Wunder sind so etwas wie das Aushängeschild Jesu. Sie haben ihn bekannt und beliebt gemacht. Ich habe aber einen Verdacht: Ich vermute, Jesus hat Wunder eher widerwillig getan, wirklich nur aus purer Menschenliebe, weil er Mitleid hatte. Nicht etwa um zu zeigen, was für ein toller Typ er ist. 

Eines seiner krassesten Wunder geschieht an der Tochter von Jairus. Jairus ist völlig verzweifelt, weil seine 12jährige Hanna im Sterben liegt. Als Jesus in die Stadt kommt, lässt Jairus alles stehen und liegen – sogar Hannas Krankenbett. Er sucht Jesus im Getümmel der Stadt. Und als er ihn endlich gefunden hat, fleht er ihn an, sie wieder gesund zu machen. Wahrscheinlich zerreißt es Jesus das Herz, als er den niedergeschlagenen Vater sieht und er folgt ihm. Auf dem Weg überbringen Nachbarn die traurige Nachricht, dass Hanna gerade gestorben ist. 

Jesus lässt sich nicht beirren. Am Haus von Jairus angekommen, schickt er zuerst mal alle Gaffer weg. Er geht ins Haus und sagt zu dem Mädchen auf dem Totenbett: „Hanna, steh auf!“ Die Eltern trauen ihren Ohren nicht. Aber im nächsten Augenblick sind sie fassungslos, verblüfft und überglücklich - alles auf einmal, denn Hanna steht tatsächlich auf. Bevor Jesus wieder geht, schärft er allen das ein, was er meistens nach einem Wunder tut: Er sagt: „Erzählt davon bloß nichts weiter!“ 

Dieser Satz könnte Jesus natürlich als PR-Trick ausgelegt werden. Nach dem Motto: wenn du willst, dass sich etwas weiter verbreitet, dann mach es zum Geheimnis. Ich glaube aber Jesus sagt das, weil er nicht möchte, dass die Leute ihn nur deshalb aufsuchen, weil er für Heilungen bekannt ist. Ihm kommt es auf etwas anderes an als auf gute Werbung: Er möchte Menschen aufrichten, und das sagt er ja auch wörtlich: „Steh auf!“ 

„Steh auf!“, das sagt Jesus auch bei anderen Gelegenheiten: zum Beispiel zu den verängstigten Jüngern, die bei Sturm im Boot sitzen. Er sagt es zu einem Gelähmten, den er gerade geheilt hat. Zu einem Mann mit einer verkrüppelten Hand sagt er sogar: „Steh auf und stell dich in die Mitte.“ Jesus möchte nicht den Wunderheiler geben und kein Star sein. Er möchte Menschen, die am Ende, am Rand oder am Boden sind, aufrichten und stark machen.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=29578
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