SWR3 Gedanken

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26SEP2019
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Vor ein paar Monaten hat die Post in Freiburg jeden zweiten Briefkasten abgebaut. Der Abbau ist verständlich – schließlich werden immer weniger Briefe per Post verschickt. Bei mir im Viertel gibt es noch drei Briefkästen. Zwei kleine, einen großen. Sie sind verkritzelt und verschmiert und wirken wie aus einer fernen Zeit. Aber man kann dort immer noch Briefe einwerfen. Ich mache davon gelegentlich Gebrauch

 

Neulich allerdings habe ich einen Brief doch nicht eingeworfen. Denn auf die Klappe hat irgendjemand in schönster Handschrift geschrieben „Nur für Liebesbriefe“. Mein Brief war alles andere als ein Liebesbrief. Ich hatte mir darin meinen Ärger über das Versäumnis einer Firma von der Leber geschrieben. „Nur für Liebesbriefe“ - der Sponti-Satz hat mich ins Nachdenken gebracht. Mit dem Brief in der Hand.

Ich habe ihn nicht eingeworfen, sondern bin mit dem Brief in der Hand nach Hause. Dort habe ihn nochmal neu geschrieben. Sehr sachlich, sehr höflich, respektvoll.

Ein Liebesbrief ist es natürlich nicht geworden, aber wenigstens ein anständiger Brief. Die Firma hat dann auch ganz schnell reagiert. Sehr höflich, sehr respektvoll. „Nur für Liebesbriefe!“ Das ist was für Idealisten. Oder Verliebte. Aber Respekt hat jeder Mensch verdient. Schriftlich und mündlich.

Vielleicht erweist sich so unser Menschsein: dass wir respektvoll miteinander umgehen (können). Auch in angespannten Situationen. Und wo Respekt ist, findet vielleicht sogar die Liebe einen Platz. Heute ist übrigens Love-Note-Day – Tag der Liebesbriefe. Briefe, posts und mails also besser nochmal durchlesen. Und notfalls besser nicht abschicken, sondern neu schreiben.

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