SWR2 Wort zum Tag

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19SEP2019
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Die Zauberflöte ist für viele eine Art Märchenoper für Kinder. Irgendwie passt das auch, weil Mozart da eine Musik mit sehr eingängigen Melodien komponiert hat und die Figuren wie aus dem Märchenbuch sind: Die Königin der Nacht, ihre Tochter Pamina und der Prinz Tamino, der sie aus der Gefangenschaft befreien soll.

Ich mag besonders die Szene, als der lustige Vogelhändler Papageno unterwegs ist, um Pamina aufzuspüren. Sie ist entführt und wird vom dunkelhäutigen Monostatos bewacht. Der eine im Vogelkostüm, der andere mit der schwarzen Hautfarbe. Beide erschrecken als sie sich sehen und ergreifen die Flucht. Und beide singen dabei denselben Text: „Hu – Das ist der Teufel sicherlich!“. So oder ähnlich reagieren viele Menschen, wenn sie zum ersten Mal jemandem begegnen, der ihnen fremd ist und anders aussieht: Sie erschrecken und verteufeln den anderen. Weil er fremd ist.

Ich weiß noch, wie ich zum ersten Mal eine Kollegin hatte, die als Muslima mit Kopftuch zur Arbeit gekommen ist. Mir war das fremd und ich habe mich überwinden müssen, mit ihr so umzugehen wie mit jedem anderen Kollegen. Am Anfang habe ich überlegt, ob sie das wohl freiwillig macht oder gezwungen wird, ob sie so streng gläubig ist oder ob das ein politisches Statement sein soll. Ich habe sie aber nie darauf angesprochen, sondern eher zurückhaltend reagiert. Ich war einfach verunsichert.

In Mozarts Zauberflöte ergreifen die beiden Männer auch die Flucht, weil das Fremde sie überfordert. Sie versuchen sogar, sich zu bekämpfen. Erst die Musik der Zauber-Flöte zähmt sie schließlich. Mozart traut es nicht der Religion oder der philosophischen Einsicht zu, die Menschen zu versöhnen. Für ihn schafft das die Musik.

Ich verstehe, dass Mozart das so sieht. Wie oft haben Menschen andere unterdrückt und verteufelt, weil sie einen anderen Glauben haben. Wie oft hat Gott herhalten müssen, um das Unbekannte, das Andere schlecht zu reden. Trotzdem steckt im christlichen Glauben das Potential zur Versöhnung, gerade wenn etwas fremd ist.  Vom Zöllner Zachäus, der ein Halsabschneider ist, den deshalb keiner mag, lässt Jesus sich zum Essen einladen. Eine Frau am Brunnen, eine Samariterin, denen Juden normalerweise aus dem Weg gehen, verwickelt er in ein existentielles Gespräch. Jesus sucht mit Absicht diese Berührungen mit dem Fremden. Er weiß: Bei Gott gibt es das nicht. Da zählen nicht die Hautfarbe oder die Herkunft oder das Kopftuch. Da zählt nur der Mensch. Wenn mich wieder mal etwas verunsichert, weil es mir fremd ist, will ich es genauso machen: Nicht auf das Fremde zuerst schauen, sondern auf den Menschen.

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