Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

19SEP2019
AnhörenDownload
DruckenAutor*in

Seit ziemlich genau einem Jahr fahre ich ein Elektroauto. Es hat die Farbe weiß. Weiß, weil es keine dreckigen Abgase in die Gegend pustet. Weiß wie mein Gewissen war, weil ich fast nur Strom lade, der aus Wasser-, Wind- oder Sonnenenergie erzeugt wird.

 

Neulich beim Laden hat mich ein Parkhaus-Mitarbeiter auf das Auto angesprochen. Ich habe ihm erzählt, wie zufrieden ich damit bin und hab ihm alle Vorteile aufgezählt. Da sagt er ganz trocken: „Aber für die Batterien sterben in Afrika Menschen“.

Ich habe dann im Internet recherchiert und bin auf den afrikanischen Arzt und Friedensnobelpreisträger Denis Mukwege gestoßen. Die Rohstoffe Coltan und Kobalt, die man für die Batterien von Elektroautos und für Handys braucht, kommen aus seiner Heimat. Der Gynäkologe Denis Mukwege behandelt im Kongo vergewaltigte Frauen. Im Kongo herrscht nämlich Krieg. Und sexuelle Gewalt wird von den Kriegsparteien als Waffe eingesetzt. Eine Ursache für die Gewalt ist der Kampf um Rohstoffe. Es kann also tatsächlich sein, dass wegen des Kobalts in meiner Autobatterie Menschen zu Schaden gekommen sind. Und für die Rohstoffe in meinem Smartphone vielleicht auch.

Ich finde das schlimm: Da will man etwas für die Umwelt tun und denkt, man tut das Richtige. Und dann wird man an anderer Stelle schuldig. Es scheint, die Welt wird immer komplizierter. Alles hängt mit allem zusammen. Es ist nicht leicht, alle Aspekte im Blick zu haben. Und entsprechend schwer fällt es, eine weiße Weste zu behalten.

Aber ich denke, man sollte deshalb nicht sagen: Wenn eh immer alles eine Kehrseite hat, dann versuche ich erst gar nicht, das Richtige zu tun. „Gut ist nur Gott, sonst niemand“, hat Jesus einmal gesagt (Lukas 18,19). Wir Menschen bewegen uns oft im Graubereich. Ich fürchte, in unserer Welt ist es nicht anders möglich. Aber trotzdem gibt es zwischen fast Schwarz und Hellgrau einen großen Unterschied.

Als Denis Mukwege im Sommer in Deutschland war, hat er gefordert: Deutsche Unternehmen sollen nur noch Rohstoffe kaufen, die unter Beachtung der Menschenrechte und unter fairen Bedingungen gewonnen werden. Die Bundesregierung soll Gesetze erlassen, die das sicherstellen. Eine Online-Resolution mit dieser Forderung kann man im Internet unterzeichnen. Ich finde: Das wäre schon ein kleiner Aufheller für die graue Weste. Und als Käufer kann man auch etwas tun: Indem man sich für faire Produkte entscheidet. Hersteller, die darauf achten, wo die Rohstoffe für ihre Smartphones herkommen, gibt es bereits.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=29421
weiterlesen...