SWR4 Abendgedanken

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19SEP2019
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In der Schule, an der ich unterrichte, haben wir vor kurzem die erste multireligiöse Feier veranstaltet. Wir haben uns in der Kirche getroffen, Christen und Muslime, Texte aus der Bibel und dem Koran gelesen und gemeinsam gebetet. Im Vorfeld konnte ich mir nicht richtig vorstellen, wie sich unsere muslimischen Gäste in der Kirche verhalten, wenn wir das Vaterunser beten, oder wie es sich anfühlt, wenn sie vor dem Kreuz zu Allah beten. Am Ende war es aberbeeindruckend für mich.

Das hat schon bei den Lesungen aus der Bibel und aus dem Koran angefangen, die die Schüler vorgetragen haben. Die Texte waren sich so was von ähnlich. Da war die Rede von Gott als dem Schöpfer, der diese Erde geschaffen hat mit den Pflanzen, Tieren und Menschen, und der will, dass es allen auf diesem Planeten gut geht. Als ich später mit anderen Lehrern gesprochen habe, haben viele dasselbe gesagt: Diese Doppelung hat bewirkt, dass uns allen klar wurde, dass wir von demselben Gott sprechen und zu demselben Gott beten. Auch wenn die Muslime ihn als Allah ansprechen und wir Christen ihn unseren Vater nennen. Aber gerade während der Gebete habe ich sogar gedacht, dass Jesus alle Worte so mitsprechen könnte, weil sie getragen sind von Respekt und der Liebe zu Gott.

Bisher gab es am Schuljahrsende einen Gottesdienst, zu dem nurder christliche Teil der Schulgemeinschaft gekommen ist. Es gibt an unserer Schule aber Schüler aus vielen Nationen und mit unterschiedlichen Religionen, vor allem muslimische. Als Religionslehrer interessiert es mich, wie Menschen ihren Glauben gemeinsam leben können. Ich vermute, dass einige von meinen Schülern Familien gründen werden, in der eine andere Religion eine Rolle spielt. Vielleicht sogar gar keine. Deshalb finde ich es wichtig, dass wir als Schule mit ihnen Wege suchen, wie man Kindern den Glauben an Gott nahebringen kann, auch wenn man eine unterschiedliche oder bislang keineReligion hat.

Als wir Christen und Muslimeunsere heiligen Texte gelesen und gebetet haben, hat es uns einander nähergebracht. Und keiner musste dabei etwas preisgeben von dem, was ihm wichtig ist. Denn das, was uns unterscheidet, war ja auch zu spüren: Wenn ich mich als Christ an Jesus orientiere und Gott meinen Vater nenne, ploppen bei mir im Kopf viele Unterschiede auf, die es einfach gibt. Z.B., dass ich mir im Gegensatz zu Muslimeneine Vorstellung von Gott machen kann und daran, wie nahe er uns Menschen in Jesus gekommen ist. Aber trotz allem ist mir auch klar geworden, dass eher wir Menschen die Unterschiede machen. Vielleicht brauchen wir das. Ich glaube: Gott nicht.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=29398
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