SWR2 Wort zum Tag

SWR2 Wort zum Tag

Am Anfang war das Wort, so lesen wir in der Bibel. Aber gleich nach dem Wort kam die Zahl. In der Bibel, der Heiligen Schrift, dem Wort Gottes, wimmelt es von Zahlen. Gezählt werden die Tage, in denen Gott die Welt geschaffen hat  – exakt sechs plus einem  Ruhetag. Es werden Plagen nummeriert, die die Ägypter heimsuchten. Kühe und Ähren, Jünger, Regierungsjahre, Brote, Fische, Körbe, Engel, Gerechte, kluge Jungfrauen und törichte – alles durchgezählt. Die Stunden der Finsternis, die Tage bis zur Auferstehung, die Buchsiegel, die Silberlinge, die Posaunen am jüngsten Tag.   

Auch Die Bibel zeigt: die Menschen waren immer schon von Zahlen fasziniert. Denn die Zahlen dienen dazu, sich in der Welt zurechtzufinden, sie zu ordnen, zu messen und zu wiegen.

Eine Zahl ist darum immer mehr als eine Zahl. Sie kann ein Machtmittel sein, sie kann den Gegner in die Knie zwingen, vor allem dann, wenn die Zahl imponiert. Es macht einen Unterschied, ob Jesus mit seinen zwölf Jüngern durch die Lande zieht – oder ob die Massen hinter ihm herlaufen.

Aber: Jesus hat einen erstaunlichen Mangel an Ehrgeiz, was die große Zahl angeht. Das Volk, das er um sich versammelt, die Menge, die ihm nachfolgt, sie „jammert“ ihn. Sie tut ihm leid.

Jesus Christus kam es nicht auf die große Menge an. Er zählte seine Anhänger nicht durch und war stolz darauf. Er sah und schätzte den Einzelnen.

Jesus interessierte sich nicht für die große Menge – seine Jünger und Apostel aber setzten alles daran, um mehr und immer mehr Menschen zu erreichen. So wurde die Geschichte des Christentums auch die Geschichte einer Religion, die mehr und immer mehr Anhänger fand. „Aber viele von denen, die das Wort (von Petrus und Johannes) gehört hatten, wurden gläubig; und die Zahl der Männer stieg auf fünftausend.“ heißt es in der Apostelgeschichte. Frauen wurden nicht gezählt. Die imponierende Zahl – sie beherrschte nach Jesu Tod und Auferstehung das Feld.

Aber es bleibt ein leicht unangenehmer Beigeschmack beim mehrfachen Hinweis auf die Zahlen der Neubekehrten. Zumal wir wissen, wie schnell die vielen, die sich  Christen nannten, vergaßen, was das bedeutete. Und wie schnell die Kirche, als sie Macht bekam, hart und lieblos wurden gegen jene, die ihr nicht angehörten. 

Ich vermute, Jesus Christus wäre es lieber, wenn Christen, statt gebannt auf die Mitglieder- und Eintrittszahlen schauen, lieber auf den schauen, dem sie ihren Glauben und ihren Namen verdanken.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=29307
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