Anstöße sonn- und feiertags

Anstöße sonn- und feiertags

Ein Freund von meinem Neffen ist aus den USA zu Besuch da. Am Sonntag sind wir in einem Café in der Innenstadt. Der Freund ist begeistert: „Das ist ja total toll hier! Eure Geschäfte sind am Sonntag geschlossen? Bei uns sind sie immer offen. Es ist immer total hektisch und voll überall. Aber hier bei euch ist es sonntags ganz entspannt.“

 

Dieser sportliche, sehr muskulöse junge Mann überrascht mich. Ich hätte gedacht, er würde mit Anfang 20 die Innenstadt am Sonntag wegen der geschlossenen Geschäfte langweilig finden. Er merkt wie überrascht ich bin und sagt: „Ich kann doch von Montag bis Samstag einkaufen und habe dann den ganzen Trubel. Da ist es schön, wenn es einen Tag in der Woche gibt, an dem es ruhiger ist.“

Ich muss lachen. Was er sagt, ist eigentlich mein Text, wenn ich aus theologischer Sicht etwas zur Ladenöffnung am Sonntag sage.

Zuletzt sagt er noch dazu: „Es ist doch schön, wenn ich einen Tag in der Woche habe, an dem ich nicht tue, was ich schon an den anderen sechs Tagen mache.“

Das finde ich auch. Momentan habe ich aber den Eindruck, der Sonntag wird immer mehr zu einem von sieben Tagen in der Woche, die sich nicht groß voneinander unterscheiden. Da werden u.a. Autos vor der Tür gewaschen und die Zahl der verkaufsoffenen Sonntage nimmt zu. Ich muss mich da aber auch an die eigene Nase fassen, wenn ich mich sonntags an den Schreibtisch setze, um manches abzuarbeiten.

Dabei glaube ich, dass es persönlich und gesellschaftlich wichtig ist, einen Tag zu haben, der ganz anders ist. Einen Tag, der nicht bestimmt ist von „ich muss“, sondern von „ich darf“. Ich darf einmal nichts tun, ich darf auswählen, was ich tun möchte. Ich darf etwas tun, das völlig zweckfrei ist, einfach weil ich Lust dazu habe. Vielleicht nehme ich mir daher heute mal wieder einen Gedichtband zur Hand. Passend zum Sonntag mit Zeilen von Ringelnatz:

„Ich bin so knallvergnügt erwacht.
Ich klatsche meine Hüften. […]
Aus meiner tiefsten Seele zieht
Mit Nasenflügelbeben
Ein ungeheurer Appetit
Nach Frühstück und nach Leben.“

Einen schönen Sonntag.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=29209
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