SWR4 Abendgedanken RP

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Das neue Jahr ist schon ein Paar Tage alt, die Heiligen Dreikönige waren vieler Orts schon da, aber in Waldbreitbach, einem Dorf im Wiedbachtal im Westerwald, ist immer noch Weihnachten. Warum das so ist, darum geht’s in den nächsten zwanzig Minuten.

Teil I

Im SWR 4 Blickpunkt Kirche geht es heute um Weihnachten. Ein bisschen spät werden sie vielleicht sagen, Weihnachten ist doch längst vorbei. Nicht aber in Waldbreitbach, einem Dorf im Wiedbachtal im Westerwald. Hier dauert Weihnachten noch bis Anfang Februar. Josef Mettel, katholischer Pfarrer von Waldbreitbach:

An sich hat die Weihnachtszeit immer bis zum 2. Februar gedauert, 40 Tage nach Weihnachten. Wir haben uns das zum Ziel gestellt auch dieses Jahr Weihnachten bis zum 2. Februar zu feiern, also die 40 Tage auszukosten mit allen möglichen Aktivitäten auch an zu bieten.

Und der Aktivitäten gibt es ganz schön viele. Waldbreitbach ist nämlich das Weihnachtsdorf im Wiedbachtal. Alles dreht sich hier um Weihnachten und ganz speziell um die Krippe. In einer Ausstellung kann man über 1300 davon bewundern. Dazu gibt es einen kleinen und einen großen Krippenweg. Der kleine geht durchs Dorf und verbindet rund 40 Krippen miteinander, darunter auch die größte Naturwurzelkrippe der Welt. Der große ist rund 12 Kilometer lang, auf einer gut dreistündigen Wanderung durchs Wiedbachtal kann man sich nochmals 30 Krippen anschauen. Klar, dass man das alles nicht mit dem Weihnachtsfest wieder abbaut, sondern an die alte Tradition anknüpft, dass mit dem Weihnachtsfest die Weihnachtszeit nicht aufhört, sondern eigentlich erst beginnt. Gustl Hertling, Hotelier, Krippenbauer und Initiator des Weihnachtsdorfes Waldbreitbach:

Früher war es so, dass die Krippe in der Kirche immer bis Maria Lichtmess stehen blieb. Für uns Kinder war das immer ein besonderes Spektakel, sag ich mal so, was besonderes, dass unser HerrGott noch solange aufgestellt wurde. Und heute ist es ja so, da ist nicht gerade das neue Jahr, da wird unser HerrGott schon wieder abgeräumt.

Dass Weihnachten bis in den Februar hinein gefeiert wird, ist alte kirchliche Tradition. Ganz anders als das heute üblich ist. Auch, weil die Adventszeit zu einer heimlichen Weihnachtszeit geworden ist. Denn Weihnachtsmärkte, Weihnachtsmusik, Weihnachtsbaum und auch Krippendarstellungen findet man fast überall schon vor Weihnachten, in der Adventszeit eben. In den Kirchen legt man aber darauf Wert, dass dies die Zeit der Vorbereitung auf Weihnachten ist und nicht schon das eigentliche Fest. Weihnachtsbaum und Krippe gibt’s hier erst ab dem 24. Dezember. In Waldbreitbach hat man da einen Kompromiss gefunden. Die vielen Krippen sind in der Adventszeit, in der schon viele Besucher in das Dorf strömen, bereits aufgebaut. Aber in der großen Krippe in der Kirche ist das Jesuskind noch nicht zu sehen, andere Figuren stehen da im Vordergrund. Gustl Hertling:

Gerade in der Adventszeit – für mich als Kind gerade auch eine Zeit der Vorbereitung auf Weihnachten gewesen – und da hat man gelernt, dass man dann schon im Advent diese wunderschönen biblischen Szenen aufbauen darf: Wie die Verkündigung, Maria Verkündigung, der Besuch bei Elisabeth, Johannes der Täufer, dann die Herbergssuche. Das sind für mich Themen, die man wunderbar in der Kirche darstellen kann, die Menschen auf die Geburt unseres Herrn vorzubereiten.

Wobei das nicht jeder versteht, wenn im Advent die Krippe leer bleibt und dafür etwa Johannes der Täufer zu sehen ist.

Ich bin mal in der Kirche unheimlich angegangen worden, dass eine Frau mich angemacht hat, warum die Krippe noch nicht vollständig wär. Das wär eine Unverschämtheit, die Leute hier her zu locken. Und da hab ich zu der nur gesagt: Feiern sie ihren Geburtstag auch drei Wochen vorher?

Also die Zeit vor und nach Weihnachten unterscheiden sich schon im Weihnachtsdorf Waldbreitbach, ganz besonders auch durch das Beiprogramm, z.B. die sonntäglichen Krippenmusiken. Dazu mehr gleich im zweiten Teil von Blickpunkt Kirche hier in SWR 4.

Teil II

Im SWR 4 Blickpunkt geht es heute darum, dass die Weihnachtszeit noch nicht vorbei ist. Ganz besonders kann man dies im Weihnachtsdorf Waldbreitbach im Wiedbachtal spüren. Über tausend Krippen gibt es hier zu bewundern, in Ausstellungen, kleinen und großen Krippenwegen und natürlich in den Kirchen. Wo sich im Moment vieles um die Krippe dreht. Pfarrer Josef Mettel:

Natürlich spielt es auch im Gemeindeleben eine große Rolle, weil jeden Sonntagnachmittag sind Chöre oder Aktivitäten: Von der Jugend angefangen – Glühweinaktion – dann aber auch der Kirchenchor, der Kinder- und Jugendchor, der Musikverein, die sind alle aktiv um am Sonntagnachmittag an der Krippe zu musizieren.

In der Weihnachtszeit – egal ob vor oder nach Weihnachten - sind die Menschen besonders empfänglich für die große christliche Botschaft: Gott wird Mensch. Gerade auch mit Krippendarstellungen. Das weiß auch Peter Uhl, seit sieben Jahren Kirchenmusiker in Waldbreitbach:

Die Kirchengemeinde kann sich zeigen, kann den Leuten helfen, dass Weihnachtsfest richtig zu verstehen. Gerade den Touristen, die doch oft mit Kirche nicht soviel zu tun haben. Die aber doch um der Krippe willen in die Kirche kommen.

Touristen nicht als lästige Besucher zu betrachten, die die Ruhe stören und die Parkplätze wegnehmen, sondern als Menschen, die durchaus offen sind für die Botschaft von Weihnachten, das gehört zum Konzept in Waldbreitbach. Und da macht auch der Kirchenmusiker mit:

Also das ist praktisch meine Hauptsaison. Für den normalen Kirchenmusiker ist die Weihnachtszeit sowieso schon mit viel Arbeit verbunden, aber hier in Waldbreitbach kann man sich in diesen zwei Monaten eigentlich nichts anderes mehr vornehmen. Das zu planen, Musik auszusuchen, das ist eine spannende Sache für mich. Und das macht mir jedes Jahr neu Spaß, denn die Literatur ist so reichhaltig und die Stimmung hier in der Kirche durch die große Krippe und die vielen Besucher, die da kommen und die so empfänglich für Musik sind, das macht das Arbeiten schon zu einer Freude.

Die große Krippe in Waldbreitbach steht in der katholischen Pfarrkirche Maria Himmelfahrt, denn die meisten Waldbreitbacher sind katholisch. Aber auch die kleinere, die evangelische, Kirchengemeinde macht mit bei dem Programm rund um die Krippe. Ein besonderer Höhepunkt in Waldbreitbach ist die jährliche ökumenische Krippennacht. Übermorgen, um 20 Uhr, findet sie bereits zum sechsten Mal statt. Was man sich darunter vorzustellen hat und wie die Krippe die beiden Konfessionen verbindet, das hören sie gleich nach der Musik.

Teil III

SWR 4 Blickpunkt Kirche. Im Weihnachtsdorf Waldbreitbach im Westerwald dreht sich alles um die Krippe und das noch bis zum 2. Februar. Das ganze Dorf macht mit, auch die evangelische Kirchengemeinde, denn „Krippe“ ist in Waldbreitbach kein rein katholisches Thema. Der evangelische Pfarrer Ulrich Oberdörster:

Also ich denke, für mich als Kind, wenn ich mich zurückerinnere, das war schon so ein gängiges Symbol, was uns durch die Weihnachtszeit begleitete. Ich sehe jetzt nicht nur den katholischen Ursprung. Es gab ja auch eine Zeit vor der Reformation, da waren beide Kirchen noch eins. Also ich kann da auch was mit anfangen.

Und so treffen sich Protestanten und Katholiken an der Krippe. Für den katholischen Pfarrer Josef Mettel ist sie etwas ganz und gar Ökumenisches:

Ökumene heißt ja unter einem Haus und in dem Sinne sind wir unter einer Krippe. Krippe ist ja etwas, was wir beide als evangelische und katholische Christen anschauen können. Und uns auf den Weg machen können. Eine Krippe kann zusammenführen. Wir müssen, wenn wir ökumenisch denken und handeln wollen, immer wieder auf Christus schauen. Und das ist etwas was uns, beide Konfessionen, immer wieder verbindet und auf einen guten Weg bringt.

Gemeinsam auf Christus schauen, das machen Katholiken und Protestanten in Waldbreitbach, ganz besonders kommenden Freitag in der ökumenischen Krippennacht. Pfarrer Oberdörster:

Das ist eine wunderbare Sache, das ist auch eine Begegnung und ein Gemeinschaftserlebnis, dass vier, fünf Theologen gemeinsam zu einem Thema sprechen und auch die katholischen und evangelischen Chöre zusammen singen. Das ist eine wunderbar verbindende Sache. Und hat auch so etwas Ruhiges, Stilles, Meditatives. Wo man sich einfach mal reinsetzen kann, also einfach etwas Entspannendes für die Leute, die da hinkommen.

Aber nicht nur Entspannung, sondern auch Spannung ist angesagt in der ökumenischen Krippennacht, zumindest bei dem Thema, was sich die Theologen ausgesucht haben. Pfarrer Mettel:

Dieses Jahr das Thema Maria. Die beiden Kirchen stellen sich dem Thema Maria an der Krippe, Maria ist ja eine biblische Person. Wir betrachten aus verschiedenen Perspektiven diese Frau an der Krippe.

Über Maria haben bekanntlich Protestanten und Katholiken unterschiedliche Auffassungen. Aber an der Krippe in Waldbreitbach werden diese wohl eher verbinden als trennen. Erst recht da nicht nur die Theologen zu Wort kommen, sondern man auch gemeinsam betet. Und da gut gesungen doppelt gebetet ist, wird auch gesungen. Mit dabei: der kath. Jugendchor Waldbreitbach und der evangelische Gospelchor Klangfarben. https://www.kirche-im-swr.de/?m=2910
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