SWR2 Wort zum Tag

SWR2 Wort zum Tag

Meine Lebenszeit rast und vergeht wie im Flug. Jedenfalls empfinde ich das oft so. Eben noch Vater eines Schulkindes – jetzt schon Opa. „Was, das war vor zehn Jahren? Ich dachte, es ist erst 5 Jahre her.“ Man sagt, das läge am Älterwerden. Denn mit jedem weiteren Jahr wird ein Lebensjahr ein kleinerer Teil meines ganzen Lebens. Wie schnurrt meine erlebte Zeit zusammen. In der Bibel heißt es einmal: Tausend Jahre sind vor dir Gott / wie der eine Tag, der gestern vergangen ist, und wie eine Nachtwache. (Psalm 90,4).

 

Merkwürdig:  1.000 Jahre sollen bei Gott nur wie ein Tag und eine Nachtwache sein? 1.000 Jahre – das ist ein Zeitraum, den ich so gar nicht nachempfinden kann. Den ich mir bestenfalls denken kann. Und jedes Mal, wenn ich darüber nachdenke, frage ich mich: Was könnte in dem Wort aus Psalm 90 an Lebensweisheit stecken?

Ich merke: Das Wort löst in mir sehr unterschiedliche Gefühle aus. Es kann mich bedrücken: Gott ist groß und mächtig und ewig. Und ich? Ich komme mir nur vor wie ein kleines, flüchtiges Wesen. Was ist mein Leben schon, wenn bei Gott 1.000 Jahre wie ein einziger Tag sind? Kaum bin ich da, schon bin ich verschwunden. Heißt das: Mein Leben ist nur ein Moment – wie ein Blitzlicht?

Doch wenn ich fürchte – mein Leben verrinnt im Nu – dann könnte mir diese Vorstellung auch ein Trost sein. Die Vorstellung nämlich: Gott – vor mir und nach mir – Gott vor allen Zeiten und nach allen Zeiten. Das hieße ja dann auch: Mein Leben und das meiner Lieben ist in Gott verbunden, in seiner Zeit – in dem, der Anfang und Ende ist.

Gottes Zeit und meine erlebte Zeit sind so verschieden. Gerade in dieser Vorstellung steckt für mich auch eine große Entlastung. Ich kann meine Lebensspanne, meinen Lebensbogenbogen hineinlegen in die Zeit des Ewigen. Oder - noch anders ausgedrückt – sagt mir das Psalmwort:

„Probiere doch einmal diesen Gedanken: Dein Lebensbogen ist umfangen und eingebettet in Gottes Zeit. In seinem langem Atem – von Ewigkeit zu Ewigkeit.“

Ich weiß wohl: Mein Leben ist zerbrechlich und vergänglich. Keine Frage. Doch mein Leben – so lässt das Psalmwort hoffen – hängt nicht in der Luft. Es ist mit Gott – mit Anfang und Ende verbunden. Es hat Anteil an Gottes Ewigkeit – und bekommt so Gewicht. Diese Vorstellung gibt meiner Seele Kraft, für jenen neuen Tag.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=29023
weiterlesen...