SWR4 Feiertagsgedanken

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Fronleichnamsdemonstration
Heute gehen Christinnen und Christen auf die Straße. Auf eine Fronleichnamsdemonstration. In der kirchlichen Sprache heißt das Ganze zwar nicht Demonstration, sondern Prozession. Aber im Grunde genommen geht es um das Gleiche. Denn bei der Fronleichnamsprozession gibt es alles, was man so von Demos kennt: Menschen ziehen durch die Straßen, skandieren Sprechchöre, tragen Fahnen. Am Ende gibt es sogar eine Abschlusskundgebung. Die findet allerdings in einer Kirche statt und nicht auf einer Bühne. Menschen verlassen also ihre Häuser, machen öffentlich deutlich, was sie bewegt. Treten ein für das, was ihnen wichtig ist.

Worum geht es bei der Fronleichnamsdemonstration? Christinnen und Christen protestieren. Für das Leben. Genauer: Für das Lebensnotwendige im Leben. Und das tun sie, indem sie eine Hostie durch die Straßen tragen.

Die Hostie ist von ihren Materialien her die allereinfachste Art des Brotes. Die Zutaten: Nur Wasser und Mehl. Mehr nicht. Das Allereinfachste wird bei einer Fronleichnamsprozession allerdings in ein wertvolles Behältnis gesteckt. Die Monstranz. Ein Tragegefäß – meist aus Gold und mit Edelsteinen besetzt. Ein merkwürdiger Gegensatz: Brot und Gold. Aber nur auf den ersten Blick. Denn das allereinfachste Stückchen Brot ist der »vrône lîcham«, der »Leib des Herrn«. Ist also das Kostbarste, was Christen kennen. Zwar denken die christlichen Konfessionen unterschiedlich über dieses Stück Brot. Für die einen ist es ein Symbol für Jesus. Für die anderen ist Jesus in diesem Brot leibhaftig gegenwärtig. Doch ein Gedanke verbindet alle Christinnen und Christen. Dass diese Hostie, dass dieses Brot für das Leben steht.

Kein Wunder. Denn Jesus selbst bricht an seinem letzten Abend mit seinen Freunden das Brot. Teilt es aus. Brot steht für das Leben selbst. Erinnert daran, wie schmackhaft und großartig Leben ist. Ich erlebe das selbst: Ich kann kaum an mich halten, wenn ich ein frisches Brot kaufe. Am liebsten beiße ich da einfach so rein. Das belebt. Und lässt mich erahnen, wie schlimm das ist, wenn Menschen eben nicht einmal so etwas Einfaches wie Brot haben. Wenn ihnen das Allernotwendigste fehlt. In der Fronleichnamsprozession wird dafür demonstriert. Dass alle genug zum Leben haben.

Öffentlicher Glaube

Ich finde Prozessionen gut. Dass man öffentlich zeigt, was einem wertvoll und wichtig ist. Dass man damit nicht hinter dem Berg hält. Leider tun das zu wenige Menschen. Ich mache das auch zu wenig: Sagen, was wichtig und richtig ist. In der öffentlichen Debatte kriegen meistens die Schreihälse die meiste Aufmerksamkeit. Die, die ihre Meinung in allen Kanälen verbreiten. Lautstark. Und oft genug einseitig. Und oft genug, indem andere Menschen herabgewürdigt werden.

Die Fronleichnamsprozession ist da erfrischend anders. Es geht nicht gegen etwas, sondern für etwas: Für das Leben. Es wird nicht laut geschrien, es wird gemeinsam gebetet. Es wird nicht herumgepöbelt, es wird geschwiegen.

Und noch etwas zeichnet Fronleichnam aus: Es geht ums Ganze. Um das, was wirklich zählt und für das Leben wichtig ist. Um Brot als Grundnahrungsmittel, um die Gemeinschaft, die sich auf den Weg macht, um Menschen, die Jesus nachfolgen.

Das habe ich ehrlich gesagt nicht immer so gesehen. Als Jugendlicher waren mir diese öffentlichen Prozessionen peinlich. Ich bin durch die Straßen gegangen und habe geguckt, dass mich keiner sieht. Mittlerweile macht mir das nichts mehr aus. Ganz im Gegenteil. Ich finde das schön, dass der Glaube nicht nur hinter dicken Kirchenmauern oder im Privaten stattfindet. Gott, da ich mir sicher, braucht weder Dach noch Wände. Gott lässt sich auf den Straßen und Plätzen der Dörfer und Städte finden. Überall da, wo Menschen sind. Sich für andere einsetzen. Wo sie Brot sind für andere. Wo sie den anderen Menschen behandeln, als wäre er das Wertvollste auf der Welt.

Wenn an Fronleichnam das Brot in einem kostbaren Gefäß, der Monstranz, durch die Straßen getragen wird, dann wird für mich deutlich, dass alles, selbst so etwas Unscheinbares wie Brot, wertvoll sein kann. Weil es darauf hinweist, dass sich Gott selbst im Allernormalsten finden lässt. Dass kann man ruhig auch einmal öffentlich machen – zum Beispiel an Fronleichnam.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=28889
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