SWR1 Begegnungen

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20JUN2019
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Wolf-Dieter Steinmann trifft Johanna Vering, Kath. Theologin und Christenschwester

Katholisch ist ein KörpergefühlJohanna Vering

Ich mag sie, wir verstehen uns, auch als Kollege und Kollegin im Radio. Ich evangelisch, sie katholisch. Sie kann mir erklären, habe ich gedacht, was Katholisch Sein ausmacht. Und wie es ist als Frau in dieser Kirche. Und auch, ob mir als Protestant was fehlt zum vollständigen Christen. „Katholisch-Sein“, erklärt mir Johanna Vering, das ist ein Körpergefühl.“ Da ist der ganze Mensch religiös.

Sitzen, stehen, knien, Orgel, Musik, Weihrauch und dann ist auch noch in jedem Gottesdienst die Möglichkeit zu essen und zu trinken in der Eucharistiefeier. Ich fühle mich – vor allem durch Liturgie – mit meiner Religion, mit meiner Kirche und mit meinem Gott körperlich verbunden.

Ich glaube, ich bin eher Christ nach innen. Und über den Kopf. Denke, was ich glaube und wie man christlich lebt. Das ist ihr zu kopflastig. Aber es gibt auch Dinge, die sie an Evangelischen gut findet und die ihr katholisch fehlen.

Diese Sorge ums Wort, diese Akribie: wie sag ich was, was sag ich als Person? Das ist uns total abhandengekommen, dass es nur noch darum geht, den Ritus irgendwie zu füllen und nicht mehr zu überlegen, was sag ich?

Ja, ich bin gern evangelisch, weil mich von Kind an die Geschichten aus der Bibel angesprochen haben. Sie war gern mit den Eltern in der Kirche. Heute sieht sie dieses Körpergefühl auch problematisch. ZB. aufgrund des Missbrauchsskandals.

Ich glaube, viele haben sich nicht getraut nein zu sagen. Weil es klar war, sie stehen ganz unten und Pfarrer, Priester steht Gott ganz nah. Und ich glaube, dass so ein Körpergefühl solchen schrecklichen Dingen Tor und Tür auch öffnet. Ich glaube, es ist eine Crux der katholischen Kirche, dass man viel zu wenig traut, sich von innen zu erneuern.

Wenn man seiner Kirche so verbunden ist wie Johanna Vering, dann schmerzt das.

Manchmal ist mir schlecht, manchmal wird’s mit ganz eng ums Herz. Der strukturelle Wandel, der ansteht, das Thema Ämterverständnis, wie geh ich mit Macht um?  Umgang mit dem Missbrauchsskandal und das Thema Umgang mit Frauen.

Wenn ich mir das vorstelle: Sie hat mit Leidenschaft Theologie studiert. Feiert gerne Gottesdienst. Und ich weiß, es ist nicht vermessen, wenn sie sagt:

Ich glaube, ich könnte wirklich gut Eucharistie feiern, ich könnte Kinder taufen. Ich könnte Menschen in die Ehe begleiten und zwar so, dass ich Leute anspreche, dass es was Gutes für sie ist. Aber ich darf das nicht, nur weil ich ne Frau bin.

Ich fühle mit und wundere mich: Sie könnte doch evangelisch werden, Pfarrerin. Alles tun, wozu sie sich berufen weiß. Mit der Vernunft ist ihr das klar. Trotzdem:

Ich kann irgendwie nicht davon weg. Manchmal hält mich auch der Gedanke, dass ich – wo ich jetzt bin – noch ein bisschen was tun kann. Was Gutes. Dass ich als Frau da auch ein anderes Bild abgeben kann. Und immer wieder sagen kann: ‘hey, wir haben eine sensationelle Botschaft und es geht darum, die hochzuhalten, und die zu sagen und rauszuhauen.

Ich finde gut, dass Johanna Vering leidenschaftlich katholisch bleibt. Wahrscheinlich braucht es das für eine gemeinsame evangelisch-katholische Zukunft.

Leidenschaftlich mutig ökumenisch

Ich mag sie sehr als Mensch und als katholische Kollegin. Sie macht leidenschaftlich gerne Radio wie ich. Und uns ist beiden der Glaube wichtig – und wie es damit weiter geht. Ich hoffe, dass auch die Enkel was von Jesus hören wollen, dass sie Gott vertrauen lernen können, keine Egoisten werden. Johanna Vering hofft das auch für ihre Kinder:

Und was mir total wichtig ist, diese Perspektive über den Tod hinaus. Das Leben ist nicht alles, du musst nicht alles hier reinpacken. Weil es - hoffentlich – gut und wunderbar weiter geht bei und mit Gott. Diese Perspektive will ich auf jeden Fall an meine Kinder weitergeben. Und im Idealfall möchte ich ihnen die Möglichkeit geben, in dieser Gemeinschaft zu leben, aber es ist jetzt gerade für uns ganz schwierig, unsere Kinder da ran zu führen.

Schwierig, weil es zur Zeit weh tut, katholisch zu sein. Ihr als Frau vor allem. Aber, raus aus der Kirche? Nein.

Mir macht die Zukunft der Kirchen Sorge. Die Prognose zB., dass es in 40 Jahren vielleicht nur noch halb so viele Christen im Land gibt mit halb so viel Geld. Ihr macht das auch Hoffnung. Z.B. dass dadurch ökumenisch mehr geht.

Ich glaube, dass sich in der Kirche nur was ändert, wenn es ans Geld geht. Und mir ist da nicht so bang. Ich glaube, dann werden Dinge angepackt, die endlich anstehen. Und das mit mehr Ökumene finde ich interessant, weil ich glaube ja, es braucht manchmal diesen äußeren Anlass. Aber gleichzeitig finde ich, das muss doch jetzt schon sein. Ja, wir haben unterschiedliche Feierformen, ja, wir haben unterschiedliches Ämterverständnis. Aber ich glaube, das sind Sachen, die sind zu überwinden.

Johanna Vering ist überzeugt. Evangelische und katholische Christen können Abendmahl und Eucharistie zusammen feiern. Die Regel sollte es sein. Daran glaube ich auch.

Miteinander essen und trinken, sich erinnern, sich verbinden mit dem Jesus, der nicht mehr da ist. So eng verbunden sein, dass Jesus in uns ist, das ist für mich Ökumene, und das wird Zeit, dass wir das leben können.

Auch in 2 Jahren, wenn wieder ökumenischer Kirchentag sein wird. Sie glaubt, Christen sind wichtig für die Gesellschaft. Auch als kritische Stimme.

Dann finde ich es auch ganz wichtig, um nach außen gemeinsam aufzutreten und zu sagen: ‚wir sind Christen und das zu zeigen.‘

Vielleicht ist mit das Wichtigste für Ökumene, dass jeder spürt, ohne die anderen sind wir nicht vollständig. Sie hofft, dass ihre Kirche von uns Evangelischen lernt:

Manchmal mehr den Verstand als das Gefühl zu bedienen, Nachhilfeunterricht in Sachen Mitbestimmung. Und das fände ich toll, wenn unsere Ökumene so weit wäre, dass man sich gegenseitig auch mal mit dem Ellenbogen stumpt und sagt: ,ihr könntet da auch was ändern, lassts Euch nicht gefallen und machts Maul auf.‘

Und was sie uns Evangelischen wünscht, da kann ich nur zustimmen:

Ich habe natürlich auch noch einen Wunsch mit Augenzwinkern. Manchmal würde ich mir ein bisschen mehr Leichtigkeit und Feierfreude wünschen.

Es tut mir gut, wie sie die Jüngere, Ihren Glauben lebt – trotz Schwierigkeiten. Und die Leidenschaft von Johanna Vering und ihre Zuversicht stecken an.

Mut, Mut, Mut. Machen und Türen einrennen und anklopfen und sich von Rückschlägen nicht beirren lassen. Das finde ich sehr jesuanisch.

 

https://www.kirche-im-swr.de/?m=28886
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