SWR1 3vor8

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10JUN2019
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Erneuern und umgestalten. Die Kirche. Heute wird in den katholischen Gottesdiensten ein Gebet gesprochen, das in knapper Form das Thema von Pfingsten auf den Punkt bringt. Das Gebet lautet so:

 

Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus,

im Neuen Bund

berufst du aus allen Völkern dein Volk

und führst es zusammen im Heiligen Geist.

Gib, dass deine Kirche ihrer Sendung treu bleibt,

dass sie ein Sauerteig ist für die Menschheit,

die du in Christus erneuern

und zu deiner Familie umgestalten willst.

 

Pfingsten wird oft als Geburtstag der Kirche bezeichnet. Wie hier von Kirche gesprochen und wie sie in die Pflicht genommen wird, das gefällt mir sehr gut. Es wird nicht vorausgesetzt, dass sie fertig und über alle Zweifel erhaben ist. Im Gegenteil, das Gebet spricht von einer Kirche im Werden. Sie ist keineswegs am Ziel, sondern muss ständig erneuert werden. Sie bedarf des Gebets. Offenbar fällt es ihr schwer, Jesus, ihrem Auftraggeber und seinen Weisungen treu zu bleiben. Wie wahr! Ich erlebe die Kirche oft genug als zu sehr mit sich selbst beschäftigt, statt sich so um die Menschen anzunehmen, wie Jesus es getan hat. Da geht es um Geld und Gebäude, und theologische Spitzfindigkeiten, die von außen betrachtet keiner versteht. Die Kirche ist doch aber in erster Linie für die Menschen da, und zwar für alle. So wie es das Pfingstmontagsgebet gleich am Beginn sagt: Aus allen Völkern entsteht Kirche. Sie hat ein internationales Gesicht, sie ist nicht an konfessionelle Grenzen gebunden. Das ist eine klare Ansage, wenn Vertreter der Kirche wieder einmal versuchen, sich abzugrenzen und Andersglaubende auszugrenzen. Die Kirche, wie Gottes Geist sie augenscheinlich will, ist offen für Fremdes und Neues. Daran ist Kirche zu messen. Wo sie sich abschottet und nur um den eigenen Besitzstand sorgt, wird sie unglaubwürdig. Und kann schon gar nicht das tun, was ihre ursprüngliche Bestimmung ist. Mich hat immer am meisten gefreut, wenn ich jemandem etwas Gutes tun konnte, der nicht zum engeren Kreis der Gemeinde gehört hat. Weil das kein Kriterium für Gottes Heil ist. Der Geist Gottes ist nicht auf die Kirche beschränkt. Er soll überall wirken - aus der Kirche heraus in die Welt hinein. Christen sollen mitsprechen und sich engagieren, wo sie leben: im Beruf, in der Nachbarschaft, in den Gemeinderäten und im Sportverein.

Unter allen Feiertagen ist Pfingsten der mit dem höchsten Maß an Aktualität. Gottes Geist will heute etwas verändern und neu machen. Nicht erst morgen. Deshalb hoffe ich, dass das schöne Gebet tatsächlich etwas nützt und die Christen nicht kalt lässt.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=28826
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