SWR3 Worte

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26JUN2019
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„Man kann nicht allen Bettlern etwas geben!“ „Doch!“, sagt die Journalistin Valerie Schönian. Über ihren Selbstversuch hat sie einen Artikel geschrieben:  

Als ich so klein war, dass ich auf Augenhöhe der Bettler über die Straßen lief, (…) fragte ich meine Mutter, warum niemand Geld in den Hut wirft und wieso auch wir das nicht tun. Sie antwortete: Man kann nicht allen Bettlern etwas geben. Es war derselbe Ton, in dem sie verkündet hatte, dass man keine Regenwürmer isst. Ein elterliches Dogma. (…). Seit ein paar Monaten probiere ich jetzt, das Gegenteil zu tun (…) Es klappt meistens, nicht immer (…). 

Der wichtigste Grund, warum ich heute jedem geben will, was in meinen Möglichkeiten liegt, ist dieser: Da bittet ein Mensch um Hilfe. Und deswegen hilft man ihm. Das sollte ein Dogma sein. Man muss dafür samstags nicht früher aufstehen, keinem Verein beitreten, (…) man muss nur sein Portemonnaie zücken. 

Vor ein paar Tagen saß ich mit einer Freundin in einer Bar. Ein Mann trat an unseren Tisch, mit aufgehaltener Hand. Wir unterbrachen das Gespräch, kramten Kleingeld raus, schauten ihn an, er lächelte zurück. Als er weg war, sprachen wir nicht weiter darüber. Es war wunderbar selbstverständlich.

 

Quelle: https://www.zeit.de/2019/03/obdachlosigkeit-bettler-spende-hilfe/ (letzter Zugriff: 02.05.2019)

https://www.kirche-im-swr.de/?m=28811
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