SWR3 Gedanken

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09JUN2019
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Juri Gagarin versucht mich jeden Morgen davon zu überzeugen, dass es keinen Gott gibt. Ich war vor kurzem in Russland und habe ein sowjetisches Propaganda-Plakat aus den 60ern mitgebracht: Man sieht darauf den russischen Kosmonauten Yuri Gagarin, wie er in einem roten Raumanzug im All schwebt. Über einen Schlauch ist er mit einer Rakete verbunden. Er lächelt und salutiert. Unter ihm die zwei Wörter „Voga net“. Das ist russisch und bedeutet so viel wie „es gibt keinen Gott“.

Yuri Gagarin ist 1961 als erster Mensch ins All geflogen. Als er wieder auf der Erde angekommen war, soll er gesagt haben „Ich habe Gott da oben nicht gefunden“. Ich frage mich, nach welchem Gott er da oben gesucht hat: Einen Mann im weißen Gewand auf einer Wolke? Klar, dass er den nicht finden konnte.

Was mir so gut an dem Plakat gefällt ist, dass er diese Frage überhaupt gestellt hat – an diesem extremen Ort – draußen im Weltraum. Das Bild wirkt auf mich so, als hätte er die ganzen Gefahren nur auf sich genommen um dieser einen Frage nachzugehen: Gibt es Gott da oben wirklich?

Das Plakat hängt jetzt an meinem Kühlschrank.  Es fordert mich jeden Morgen dazu auf: Suche Gott an außergewöhnlichen Orten! Halte die Augen auf! Im Wartezimmer beim Arzt, im überfüllten Zug oder in heiklen Situationen, wenn mir der Boden unter den Füßen fehlt.  Wenn mir Gott dort nicht begegnet, könnte ich ja auch mal wieder überlegen, ob mein Bild von Gott noch passt. Höchstwahrscheinlich ist Gott anders, als ich denke. Und vielleicht finde ich sie oder ihn dann ja doch irgendwie, irgendwo, … – hier unten auf der Erde.

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