SWR2 Wort zum Tag

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Heute vor 70 Jahren ist das Grundgesetz in Kraft getreten - Grundlage des demokratischen und sozialen Rechtsstaats. Eine weit reichende Weichenstellung.

Es strahlt weit über die düsteren Nachkriegsjahre hinaus. Weit auch über das hinaus, was eine Mehrheit der Deutschen damals gedacht und empfunden hat. Nach Umfragen bekannte sich damals weiterhin eine Mehrheit zum Nationalsozialismus (vgl., Christoph Driessen – WELT - 03.05.2019). Da erscheint das Grundgesetz wie ein Geschenk des Himmels zur Wiedergeburt der Demokratie in Deutschland. Etliche haben ihre ganze Kraft dafür gegeben.

An einer Frau ist mir das besonders deutlich geworden. Es ist die Kasselaner Rechtsanwältin Elisabeth Selbert (1896-1986). Sie war für die SPD im »Parlamentarischen Rat«.Sie hat unermüdlich dafür geworben, dass im Artikel drei der Satz aufgenommen wurde: „Männer und Frauen sind gleichberechtigt.“ Mehrfach wurde bei den Beratungen diese Formulierung abgelehnt. Elisabeth Selbert hat nicht aufgegeben. Sie ist viel gereist – landauf, landab – hat Frauenverbände und politische Vertreter für ihr Anliegen gewonnen.

Erst bei der letzten Abstimmung im Parlamentarischen Rat fand sich dafür eine Mehrheit. Und seither steht nun im Grundgesetz - Artikel 3 - nicht nur: (1)“ Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.“ Sondern auch: (2) „Männer und Frauen sind gleichberechtigt.“

Wie weit war das damals noch von der Realität entfernt. Gerade auch in der von Christen und Kirchen geprägten Lebenswelt von Frauen. So gab es lange Zeit – in der Evangelischen Kirche -  bis in die 60er Jahre - ein Zölibat für Frauen: Sobald sie verheiratet waren, mussten sie aus dem Pfarrdienst  ausscheiden. Erst vor 50 Jahren wurden Theologinnen und Theologen in der Evangelischen Kirche gleichgestellt. Nach allerlei Zwischenlösungen und Verrenkungen.

Der Apostel Paulus schreibt einmal: Christen sind alle gleichgestellt. Geschlecht, Herkunft und sozialer Stand sollen Menschen nicht trennen in oben und unten. (Gal 3,28)

Ich denke, das Grundgesetz hat diesen Geist der Gleichberechtigung auch in Kirchen neu entfacht. Schön, wo das in Dankbarkeit erkannt und als ein Auftrag begriffen wird, eben dies mit Leben zu erfüllen.

Darum Glückwunsch an alle, die weiter daran mitwirken, dass der Grundsatz der Gleichberechtigung immer wieder lebendig wird: In Firmen, in Verbänden und in Vereinen. Und nicht zuletzt in Kirchen und anderen Religionsgemeinschaften. Das ist ein weites Feld und davon liegen gerade hier noch große Flächen weiter brach.

 

https://www.kirche-im-swr.de/?m=28695
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