SWR3 Gedanken

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18MAI2019
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Träume, die in Schubladen vergammeln, sind nichts wert.

Der Gedanke schießt mir beim Ausräumen eines uralten Schränkchens durch den Kopf. In der dritten Schublade finde ich einen Stapel Blätter. Es ist der Anfang eines Romans, den ich vor dreizehn Jahren geschrieben habe. Seit meiner Kindheit wollte ich Schriftstellerin werden. Es ist nie was draus geworden. So wie dieser Romananfang schlummern noch viele Anfänge, Gedanken und Geschichten in den Schubladen meiner Schränke. Ich habe sie dort verstaut. Für später. Weil ich gerade keine Zeit hatte, meine Träume zu verfolgen. Weil es Wichtigeres gab oder weil mir der Mut gefehlt hat, meine Träume in Realität umzusetzen.

Ich setze mich auf den Boden und beginne zu lesen. Ich bin überrascht, denn nach all den Jahren gefällt es mir noch. Und ich spüre, wie mein Traum wieder stärker wird. Der Traum, den ich mit dem Stapel Papier so viele Jahre lang in eine Schublade gesperrt hatte.

Ich frage mich, wie viele Träume wohl in Schubladen vergammeln. Nicht nur in meinem Haus, sondern in den vielen anderen Schränken und Schubladen. Wie viele Träume wurden wohl eingesperrt, vergessen, weil es eben nicht der passende Zeitpunkt war oder der Mut gefehlt hat, sie zu verwirklichen? Träume von besonderen Erlebnissen, besonderen Taten, besonderen Plänen oder Erfindungen. 

Ich bringe es nicht übers Herz, meinen Traum zurück in die Schublade zu legen oder ihn gar weg zu werfen. Stattdessen puste ich die Staubschicht von Papier und Traum, setze mich an mein Laptop und beginne zu schreiben. Selbst wenn sich mein Traum nicht erfüllt, ich will ihn wiederbeleben. Will es zumindest versuchen.

Denn Träume, die in Schubladen vergammeln, sind nichts wert.

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