SWR4 Abendgedanken

SWR4 Abendgedanken

Vor zwei Monaten ist Lothar Zenetti mit 93 Jahren gestorben. Bekannt ist Zenetti für seine Gedichte und Bücher. Ein Gedicht ist mir besonders wichtig: 

Was keiner wagt, das sollt ihr wagen.
Was keiner sagt, das sagt heraus.
Was keiner denkt, das wagt zu denken.
Was keiner anfängt, das führt aus. 

Zenetti hat als junger Mann den zweiten Weltkrieg erlebt. Auch er sollte Soldat werden, kämpfen und töten. Zu dieser Zeit hat er erfahren, was alles nicht gesagt werden durfte. Alle sollten gleich sein, gleich denken, gleich hassen. Irgendwann haben viele wahrscheinlich nicht mehr gewagt, überhaupt noch anders zu denken. Keiner durfte etwas gegen die Nazis, den Krieg und den Judenmord sagen. Vielleicht hat Zenetti an diese Zeit gedacht, als er später diese Zeilen geschrieben hat.

Wenn keiner ja sagt, sollt ihr´s sagen.
Wenn keiner nein sagt, sagt doch nein.
Wenn alle zweifeln, wagt zu glauben.
Wenn alle mittun, steht allein. 

Zenetti hat sich nach dem Krieg entschieden, Priester zu werden. Er hat dann in einer Gemeinde in Frankfurt gelebt und gearbeitet. Er hat jungen Menschen Mut gemacht, ihren eigenen Weg zu gehen. Denn es braucht Menschen, die sich gegen den Strom stellen: Die Ja sagen, wo es kein anderer wagt. Die Nein sagen, wo alle wegschauen. Die für sich entscheiden und es aushalten, dabei auch mal allein zu stehen.

Wo alle loben, habt Bedenken.
Wo alle spotten, spottet nicht.
Wo alle geizen, wagt zu schenken.
Wo alles dunkel ist, macht Licht. 

Zenetti geht es nicht nur darum, dass wir kritisch und unabhängig sind. Das ist nur der erste Schritt. Er fordert uns auf, zu handeln. „Wo alles dunkel ist, macht Licht.“

https://www.kirche-im-swr.de/?m=28572
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