SWR4 Abendgedanken

SWR4 Abendgedanken

Teodor Currentzis leitet seit einigen Monaten das SWR-Sinfonieorchester in Stuttgart. Für mich ist dieser Mann ein Phänomen: Er ist in Griechenland aufgewachsen und hat sich als junger Mann nach Sibirien aufgemacht. Denn dort hatte er die Möglichkeit, etwas ganz eigenes zu schaffen. Er gründet mit jungen Musikern ein eigenes Orchester. Und entwickelt seine ganz eigenen Ideen.

Sein ganzes Leben hat Currentzis der Musik verschrieben. Mit seinem Orchester will er den Himmel öffnen. Die Besucher sollen für kurze Zeit vergessen, was sonst ihren Alltag bestimmt. Ihm geht es um einen heiligen Moment, einen Moment der Liebe, wie er es nennt.

Für dieses Ziel, für diese Berufung zahlt Currentzis einen hohen Preis. So erzählt er: Als junger Mann war ich unsterblich in eine Frau verliebt. Ich konnte nur an sie denken und wollte jeden Moment mit ihr zusammen sein. Aber es kam der Tag, da musste ich ihr sagen: Ich weiß, wovon Du träumst. Du wünschst Dir eine schöne Hochzeit, einen lieben Mann und zwei Kinder. Dieses Leben werde ich Dir nicht geben können. Ich werde nie mit einer Braut in eine Kirche einziehen, sondern immer draußen bleiben. Obwohl ich für immer traurig sein werde, weil ich Dich verlassen habe: Ich kann nicht anders, alles gebe ich auf für die Musik.

Auf der einen Seite beeindruckt mich, wie entschieden Currentzis vorgeht. Andererseits kann ich es mir nicht vorstellen, so radikal wie er zu leben. Was ich aber von ihm lerne: Manchmal braucht es diese Momente, in denen nichts anderes zählt. In denen ich alles andere vergesse, um ganz in einer Sache aufzugehen. Sei es im Sport, wo ich über mich hinaus wachse. Sei es im Beruf oder in der Liebe. Schluss mit Mittelmaß, jetzt zählt nur dieser Augenblick.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=28571
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