Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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19APR2019
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Karfreitag: Christen denken an diesem Tag daran, wie Jesus gestorben ist. Und in vielen Kirchen hängt der tote Jesus ja auch sichtbar am Kreuz. Damit können viele nichts anfangen. Manche finden es sogar abstoßend. Warum soll man sich dieses schwere Thema zumuten? Und dann auch noch so genau hingucken?

Mir hilft da eine geheimnisvolle Geschichte aus der Bibel (siehe 4. Mose 21,4-9). Lange vor Jesus schon hat die sich zugetragen. Sie erzählt, wie die Israeliten in der Wüste von giftigen Schlangen bedroht werden. Und sie beten darum, dass das aufhört.

… das kann ich gut nachvollziehen. Wenn mir Schweres begegnet, dann bete ich das auch. Dann ist auch mein Wunsch, dass Gott mir das Schwere erspart. Die Geschichte in der Bibel geht dann aber ganz anders weiter: Gott nimmt die giftigen Schlangen nicht weg. Stattdessen gibt er Mose den Auftrag, eine Schlange aus Metall zu machen und sie an einer Stange gut sichtbar in die Luft zu strecken.

Das wirkt erst mal völlig verrückt. Fast schon zynisch. Als ob Gott noch was obendrauf packt in all dem Leid. Aber, so die Geschichte weiter: Wer diese eine Schlange anschaut, wenn er von einer giftigen Schlange gebissen wird, bleibt am Leben.

Manchmal ist es doch so im Leben, dass man das Schwere erst mal bewusst anschauen muss, um damit umgehen zu können. Und man gesteht sich ein: Ja, dieses Schwere gibt es. Daran leide ich. Und es macht mir zu schaffen.

Mit diesem mutigen Blick ist schon viel geschafft. Manchmal kann es erst danach weitergehen. Weil die Dinge nun klar vor Augen sind – und dann vielleicht auch etwas von ihrem Schrecken verlieren.

So ähnlich ist es mit dem toten Jesus am Kreuz, glaube ich. Wenn ich den anschaue, sehe ich Gewalt, Leid und Tod. Das ist schwer. Aber das gibt es nun mal, bis heute. Überall in der Welt und bei uns. Und auch mir macht es zu schaffen.

Am Kreuz sehe ich dann aber auch: Gott ist das Leid nicht gleichgültig. Er steht nicht unberührt daneben. Er hat selbst gelitten, bis in den Tod hinein. Dann bleibt er also bei denen, die leiden und sterben müssen. Er lässt sie nicht allein. Das macht einen Unterschied, finde ich.

Deshalb schaue ich heute am Karfreitag den sterbenden Jesus an. Ich bete, dass Gott mir Kraft gibt dafür. Und allen, die gerade Schweres durchmachen.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=28476
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