SWR3 Gedanken

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19APR2019
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Jesus ist mein großes Vorbild und heute ist sein Todestag. Deswegen ist heute für mich ein Trauertag. Aber es ist ja logisch: Trauer auf Knopfdruck geht nicht. Und weil ich jedes Jahr an Karfreitag anders drauf bin, deswegen ist der Tag für mich auch jedes Jahr anders.

Letztes Jahr war ich schwanger. Da habe ich einfach nur gehofft, auch am Karfreitag. Ich habe gehofft, dass alles gut wird mit dem Baby. Und gleichzeitig habe ich an die vielen Babys denken müssen, die erst gar keine Chance zum Leben bekommen. Die einen dürfen leben und werden geliebt, die anderen nicht. Das ist so ungerecht. Letztes Jahr Karfreitag habe ich vor allem dieses Gefühl der Ungerechtigkeit mit mir rumgetragen.  

Dieses Jahr ist es anders. Heute drängt sich mir das Thema vom Missbrauch in der katholischen Kirche auf. Ich denke an die vielen Kinder, die etwa von Priestern missbraucht worden sind. Aber auch an die vielen Frauen, denen Leid angetan wurde. Vor allem an die in meiner nächsten Umgebung, in meinem Landkreis, meinem Kirchenbezirk. Ich bin fassungslos wegen so viel Gewalt und so viel krankhaftem Egoismus. Das ist immer schlimm, aber wenn Kirchenleute Kinder und Frauen vergewaltigen, dann finde ich das doppelt schlimm. Und ja, als Katholikin schäme ich mich dafür.

Ich gehe heute Nachmittag in die Kirche. Ich werde die vielen Schandtaten, die Demütigungen und die ganze rohe Gewalt in Gedanken dorthin mitnehmen. Wenn ich heute bete, bringe ich dieses Leid zu Jesus. Genauer gesagt zu Jesus am Kreuz, der selbst gebrochen und gedemütigt war. Ich bin mir sicher, dass meine Gebete gerade bei ihm gut aufgehoben sind.  

https://www.kirche-im-swr.de/?m=28468
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