SWR2 Wort zum Tag

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Komponisten müssen ihr Werk aus der Hand geben, damit es hörbar wird: Und doch: wo möglich sorgen sie sich bis zum Schluss darum, dass alles so wird wie sie es sich gedacht haben -  vom Auftakt bis zum Ende der Aufführung.

Da finde ich beachtlich, was Yehudi Menuhin über Sir Edward Elgar erzählt. Der große Geiger des zwanzigsten Jahrhunderts trifft mit sechzehn Jahren mit dem Komponisten zusammen – der ist da schon vierundsiebzig; sie wollen Elgars Violinkonzert auf Platte aufnehmen.  Wie üblich sollen Komponist und Dirigent Elgar und Solist Menuhin das Stück noch mal durchgehen, bevor sie mit dem Orchester ins Studio gehen.

Menuhin spielt also den Geigenpart – Elgar hört aufmerksam zu; aber nur bis zum Anfang des zweiten Themas im ersten Satz. „Das kann man nicht besser spielen“, sagt er. Und „Bitte entschuldigen sie mich. Das Wetter ist so schön – ich gehe lieber zum Pferderennen…“

Schon klar: Yehudi Menuhin, der Wundergeiger hatte das Stück  gut und ganz richtig aufgefasst und gespielt. Aber ein sorgfältiger und ehrgeiziger Komponist hätte da doch  ein bisschen genauer hinhören können –  schließlich sollte sein Werk für die ganze Nachwelt auf Platte kommen. Und Menuhin war nur der Ersatzgeiger. Ich nehme mich nicht so wichtig, scheint Elgar sagen zu wollen. Manchmal soll er sowieso locker mit der eigenen Musik umgegangen sein.

Das bestätigt sich dann an den beiden Studio-Tagen.  Elgar dirigiert das große Orchester – und macht den Eindruck, als wäre es eigentlich unwichtig, dass er da ist: kleine Gesten statt großem Gerudere mit den Armen; leise Töne, wenn er was zu korrigieren hat. Als wolle er sich niemand aufdrängen, findet Menuhin. Und dass er gelernt hat: „Autorität muss sich unaufdringlich, fast bescheiden präsentieren.“

Das stimmt – übrigens auch biblisch, denke ich. Wer unter euch der oder die Erste sein will, sagt Jesus einmal,  soll euer Diener sein. Das ist Edward Elgar in dieser Szene jedenfalls: Diener der Musik,  Diener des Orchesters und des Geigensolisten –  und doch die wichtigste Person da im Studio.

Das muss, glaube ich, zusammenkommen – und es gelingt ja, Gott sei Dank, auch schon oft: Jemand ist einfach so gut in seinem Thema oder ihrer Sache, dass die Autorität ganz von selbst entsteht; wo es hilft, ordnen sich alle ihr unter –  und niemand hat am Ende je das Gefühl gehabt, ich hier unten und der da oben. Wir sind gemeinsam vorangekommen, das Werk ist gelungen. Denn der oder die Wichtigste dabei  ist auf Augenhöhe mit uns gemeinsam auf dem Weg gewesen. So – hätte Jesus vermutlich gesagt – so soll es bei euch sein

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