SWR4 Sonntagsgedanken

SWR4 Sonntagsgedanken

„Halt, Stopp. Das darfst Du nicht machen!“ hat mir ein Kollege zugerufen. Es war an einem Freitagnachmittag in Israel und ich war gerade dabei, eine Rosenblüte zu fotografieren. Wir waren auf dem Weg zum Gottesdienst in einer Synagoge. Dort wollten wir den Sabbat beginnen. Ich war irritiert. Der Sabbat, der jüdische Feiertag, hatte noch gar nicht angefangen, denn die Sonne war noch nicht untergegangen. Und überhaupt: Was hat das mit meinem Handyfoto zu tun? Klar, weiß ich, dass Arbeit am Sabbat für Gläubige verboten ist, doch ist ein Handy-Foto Arbeit? Das ist doch Hobby?

Seitdem beschäftigt mich der 7. Tag der Woche, der Ruhetag, immer wieder. Und ich mache mir so meine Gedanken, wie ich ihn als Christin verstehe und gestalte.
In der Bibel wird in den 10 Geboten berichtet, dass Gott sich einen Ruhetag gegönnt hat, nachdem er mit der Schöpfung fertig war. Und dass er diesen Ruhetag allen gönnt: dem Volk Israel und auch den Fremden im Land. Keiner soll an dem Tag arbeiten müssen. Es soll nur das getan werden, was absolut notwendig ist, Tiere füttern zum Beispiel oder Kinder und Kranke versorgen.

Später heißt es dann dass der Sabbat auch dazu da ist, an die Befreiung zu erinnern, daran, dass Gott sein Volk aus der Sklaverei in Ägypten geführt hat. Also ein Ruhetag als Pause für uns, weil Gott sich eine Pause gegönnt hat und ein Ruhetag zum Nachdenken und dankbar sein.

Seit ich den Sabbat in Israel erlebt habe, fasziniert er mich. Ein Tag ohne die geringste Anstrengung. Das öffentliche Leben kommt teilweise zum Stillstand. Die drei Mahlzeiten für die nächsten 24 Stunden sind schon fertig vorbereitet und teilweise warmgestellt. Und dann hat man Zeit für die Familie. Man isst gemeinsam, erzählt sich, spielt miteinander, hat Zeit für einen Mittagschlaf und geht in den Gottesdienst. Die Generationen kommen zusammen und manchmal lädt man noch Gäste ein. Das stelle ich mir schön vor, wenn man wirklich Zeit füreinander hat und alle elektronischen Geräte mal ausgeschaltet bleiben. Und weil es zur Religion gehört, muss man auch nicht mit den Kids darüber diskutieren.

39 Regeln gibt es im Judentum für diesen Tag. Gestrichen ist alles, was Arbeit macht. Und alle Tätigkeiten fallen weg, bei denen etwas Neues entsteht.
Aber so eng möchte ich das dann doch nicht sehen, denn dann wären auch Aktivitäten gestrichen, die mir Spaß machen und die für mich zum Ausspannen dazugehören. Ich dürfte nicht an meinen Socken stricken, denn dabei entsteht etwas Neues, ich dürfte keine längere Wanderung machen, denn die Zahl der Schritte wäre begrenzt. Autofahren ginge auch nicht, denn sobald ich den Schlüssel rumdrehe, aktiviere ich die Zündung und das ist nichts anderes als Feuermachen, was auch nicht erlaubt ist.
Also suche ich wohl doch meinen eigenen Umgang damit.

Haben sie heute frei? Viele haben frei, denn es ist der gesetzliche Ruhetag in unserem Land. Ich mache mir heute Gedanken, wie ich ihn als Ruhetag gestalte. Darauf gestoßen bin ich bei einer Israelreise, bei der ich erlebt habe, wie Juden den Sabbat halten. Das hat mich zum Nachdenken gebracht. Ich will den jüdischen Sabbat nicht eins zu eins übernehmen, das geht gar nicht, doch manches, was ich dort gesehen habe, würde auch mir guttun.

So ein Ruhetag gibt der Woche einen Rhythmus. Er schenkt Zeit für die Familie. Und er schenkt die notwendige Erholung und Muße zum Nachdenken. Das ist doch eine gute Vorbeugung gegen Burn Out, oder?

Viele sagen: Ich brauche den Sonntag zum Arbeiten. Da putze ich die Wohnung oder stelle Unterlagen fertig, zu denen ich unter der Woche nicht gekommen bin. Es ist tatsächlich nicht einfach, den Sonntag arbeitsfrei zu halten. Doch oftmals ist es auch eine Frage der Selbstorganisation.

Als Christin will ich mich an Jesus orientieren. Jesus hat den Sabbat als Geschenk für uns Menschen gesehen. Aber er hatte auch Ärger mit dem Sabbat. Einmal hat er just am Sabbat einen Menschen geheilt. Seine Gegner haben das als Arbeit gesehen. Ein andermal haben seine Jünger auf den Feldern Ähren ausgerissen, weil sie Hunger hatten. Auch das kam bei seinen Gegnern nicht gut an, denn „Ausreißen“ ist an dem Tag nicht erlaubt.

Jesus hat ihnen gesagt, dass der Ruhetag für den Menschen da ist und nicht der Mensch für den Ruhetag.
Die ersten Christen haben den wöchentlichen Ruhetag auf den Sonntag gelegt, weil Jesus an einem Sonntag auferstanden ist. Und das wichtigste an dem Tag war für sie der Gottesdienst. Dort haben sie sich zum Beten getroffen und auch Zeit beim Essen miteinander verbracht.

„Du sollst den Feiertag heiligen“, so habe ich es im Konfirmandenunterricht gelernt. Damals habe ich das Gebot eher als Einschränkung gesehen. Doch jetzt denke ich mehr und mehr über die Freiheit nach, die darin steckt. Es ist doch ein Geschenk, einfach mal nix tun zu müssen. So eine Insel der Ruhe innerhalb der Woche. Ich genieße es, nach dem Gottesdienst die Hände in den Schoß zu legen und die Arbeit Arbeit sein zu lassen. So bleibt Gelegenheit für einen Mittagschlaf oder Spaziergang oder auch mal einen Besuch, und am Abend ist Zeit für den Tatort, mit meinem Strickzeug in der Hand.

Mal ist mein Sonntag genau geplant, dann wieder geht es eher spontan zu. Was sind ihre Pläne für den Tag? Ich wünsche Ihnen einen erholsamen Sonntag.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=28282
weiterlesen...