Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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„Jeder ist ersetzbar“, hat der Geschäftsführer eines großen Unternehmens einmal in einem Interview gesagt. Aber stimmt das wirklich? Ob ich oder ein anderer den Job macht, ist das wirklich egal? Sitzt, wenn ich es nicht mache, halt ein anderer an meinem Schreibtisch, unterrichtet halt eine andere meine Klasse oder repariert halt jemand anderes den Wasserrohrbruch? Bin ich einfach austauschbar?

Wer von sich denkt „Ich bin ersetzbar“ meint doch gleichzeitig: Es kommt gar nicht so sehr auf mich an. Das, was ich mache, können viele andere auch. Ich bin gar nicht so wichtig. Und wenn ich nicht da wäre, würde das nicht groß auffallen. Wer so denkt, hält sich nicht für besonders wertvoll. Ich glaube: Das ist auf die Dauer nicht gut und kann sogar krank machen.

Interessant finde ich: Früher, in der Antike und im Mittelalter, hatten die Menschen anscheinend nicht das Gefühl, ersetzbar zu sein. Der amerikanische Anthropologe David Graeber schreibt in einem Buch: Früher war es undenkbar, die Arbeitskraft eines Menschen von seiner Person zu trennen. Es gab nur beides zusammen: Das, was ein Mensch tat, war untrennbar mit seiner Person verbunden. Das heißt: Jeder Töpfer oder Schmid hat seine Arbeit auf seine ganz eigene Art und Weise gemacht. Wenn der Töpfer in den Ruhestand ging, dann kam zwar ein neuer Töpfer. Aber das war dann nicht dasselbe. Der neue hat den alten Töpfer nicht einfach ersetzt und genau das gleiche Geschirr gemacht. Sondern der Neue machte seine Töpferware, dann auf seine Art und Weise.

Mir gefällt diese alte Vorstellung, dass Arbeit und Arbeiter untrennbar miteinander verbunden sind. Die Menschen müssen mit einem ganz anderen Selbstbewusstsein, ja mit einer ganz anderen Würde bei der Arbeit gewesen sein. Wenn ich weiß, so mache nur ich das und keiner sonst, fühle ich mich gebraucht und wertvoll. Und es motiviert mich, meine Arbeit besonders gut zu machen.

Eigentlich könnte das doch auch heute noch so sein. Denn natürlich macht es einen großen Unterschied, wer in einer Behörde hinter dem Schreibtisch sitzt. Es ist nicht egal, wer eine Schulklasse unterrichtet. Und auch den Wasserrohrbruch kann man auf ganz unterschiedliche Art und Weise reparieren und dabei so oder so mit seinen Kunden umgehen. Ich würde ja auch nicht sagen: Ich bin als Vater ersetzbar, oder als Sohn. Warum also im Beruf?

Ich glaube, Gott hat jeden Menschen einzigartig geschaffen und jedem seine eigene Persönlichkeit und seine eigenen Talente mitgegeben. Es gibt keinen Menschen zweimal und deshalb ist auch keiner ersetzbar, auch nicht in der Arbeitswelt.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=28140
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