Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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„Früher war alles besser“. Natürlich stimmt dieser Satz nicht. Und er ist gefährlich. Wer den vermeintlich guten alten Zeiten nachtrauert, dem fällt es schwer zu sehen, was in der Gegenwart gut ist. Und wer zu viel in der Vergangenheit lebt, verpasst das Hier und Jetzt.

Aber von Zeit zu Zeit zurückzublicken, kann auch richtig gut tun. So ist es mir neulich gegangen. Da wurde im Kulturprogramm der Schwenninger Vesperkirche ein ganz besonderer Film gezeigt: Ein Western, den Jugendliche aus meiner Heimatstadt Anfang der 80er Jahre mit einer Super-8-Filmkamera und mit einfachen Mitteln gedreht haben. Im Film kommen Cowboys und Indianer vor. Aber er spielt im ganz normalen Stadtleben von damals.

Und genau das hat den Reiz dieses Films ausgemacht. Er war für mich wie eine Zeitreise zurück in meine Kindheit und Jugend. Da war die Unterführung zu sehen, die längst zugeschüttet ist, der große Parkplatz, der inzwischen bebaut ist oder der Supermarkt, der schon lange vom Marktplatz auf die grüne Wiese umgezogen ist. Dazu alte Autos, Klamotten und Frisuren und Kinder auf Bonanza-Fahrrädern. Es war herrlich.

Ich bin mit einem guten Gefühl aus dieser Film-Vorstellung gegangen und auch irgendwie gestärkt. Ich glaube, der Film hat mich daran erinnert: Das war eine gute Zeit damals. Ich konnte Ja sagen zu diesen Jahren meines Lebens und damit auch Ja sagen zu mir selber.

Ich denke, es ist wie bei einem Baum: Wenn ein Baum gute Wurzeln hat, dann steht er fest. Auch ein Mensch hat Wurzeln, die ihn stark machen. Aber diese Wurzeln können in Vergessenheit geraten. Deshalb ist es gut, sich von Zeit zu Zeit an seine Wurzeln zu erinnern. An das zu denken, was gut war in meinem Leben, stärkt mich, besonders wenn in der Gegenwart der Wind an meinem Lebensbaum rüttelt. Dann kann ich alte Filme anschauen oder die alten Fotoalben herauskramen oder mich mit alten Freunden über alte Zeiten unterhalten. – Nicht weil früher alles besser war. Sondern weil das, was früher gut war, mir Kraft gibt für das Hier und Jetzt.

Der Film hat mir aber auch gezeigt, wie schnell die Zeit vergeht. Die damals blutjungen Schauspieler sind heute alle über 50. Und ich bin auch nicht mehr der von damals. „Jugend und dunkles Haar sind wie ein Windhauch“, heißt es in der Bibel (Prediger 11,10). Da hilft mir das Vertrauen, dass Gott mein Leben in seiner Hand hält. Dieser alte Super-8-Film wurde ja in einer Kirche gezeigt. Ein schönes Bild: Wie die Leinwand vom halbrunden Chorraum der Kirche umgeben war, so ist mein Leben – meine Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft – umgeben von Gott.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=28139
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