SWR2 Wort zum Tag

SWR2 Wort zum Tag

Sprechen Sie manchmal über Religion? Oder gar darüber, woran Sie persönlich glauben – oder auch nicht? Viele Leute reden nicht so gerne darüber. Weil Religion als heikles Thema gilt und man hat Angst, den Gesprächspartner zu verletzen. Und auch, weil es oft gar nicht einfach ist, seine ganz eigenen Gedanken und Gefühle zum Thema Glauben verständlich zu machen.

Ich selbst finde in Gesprächen über Glaubensfragen noch etwas anderes kompliziert. Oft bin ich mir nämlich nicht sicher, ob mein Gegenüber und ich über dasselbe reden – obwohl wir dieselben Worte benutzen. Das gilt übrigens nicht nur in Gespräch mit Menschen anderer Glaubensüberzeugungen, sondern auch mit denen, die sonntags in derselben Kirche sitzen: Was meint der Nachbar eigentlich, wenn er „Gott“ sagt? Und die Kollegin, wenn sie sagt, dass sie „glaubt“? Und was genau tut sie, wenn sie „betet“? Wie fühlt sich das für sie an? Was bewirkt es?

Oft schon haben mich diese Fragen irritiert. Vielleicht aber, habe ich nun gemerkt, muss das auch so sein. Eine Kollegin hat mich auf einen Gedanken aufmerksam gemacht, den ich sehr erhellend finde. Er stammt von Baal Schem Tow, dem Begründer der chassidischen Bewegung im Judentum. Der jüdische Autor Gabriel Strenger zitiert ihn in seinem Buch über „Jüdische Spiritualität“. Es geht um die Frage nach dem Namen Gottes.

Einen richtigen Namen hat der Gott der Bibel – anders als die Götter in der Umwelt Israels – ja gerade nicht. Die anderen Götter heißen Aton, Baal, Aschera und so weiter. Im Hebräischen sind Gottesnamen eher Umschreibungen. Eine davon ist „Gott unserer Väter, Gott Abrahams, Gott Isaaks, Gott Jakobs“. Merkwürdig, dass das Wort „Gott“ hier viermal wiederholt wird. Hätte es nicht ausgereicht zu sagen: Der Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs. Nein, sagt Baal Schem Tow. Denn Jakob gab sich nicht mit dem Gott seines Vaters Isaak zufrieden, und Isaak nicht mit dem seines Vaters Abraham. Jeder suchte und fand seine eigene Beziehung zu Gott. Die Botschaft ist: Es gibt keinen allgemeingültigen Gottesnamen – weil Gott für jeden und jede ein anderer ist. „Der namenlose Gott“, so schreibt Strenger, „drückt sich in der Besonderheit der Seele jedes Einzelnen aus“.

Mir gefällt der Gedanke. Weil er deutlich macht, dass es ein Geheimnis sein darf, was Gott für meinen Nachbarn bedeutet. Und der Gedanke ermutigt mich, wie Abraham, Isaak und Jakob meinen eigenen Weg zu gehen und dabei den Gottesnamen zu entdecken, der für mich da ist.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=28123
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