SWR2 Wort zum Tag

SWR2 Wort zum Tag

Mit das Beste, was man Kindern als Vater oder Mutter mitgeben kann, ist: Vertrauen fürs Leben. Und wie man es stärken kann auch als Erwachsener. Für mich ist beten eine Quelle des Vertrauens. Und ich hoffe, ich habe das meinen Kindern mitgeben können.

Man kann Kindern zB. ja nicht versprechen, dass man immer da sein wird. Aber vielleicht ihnen Vertrauen mitgeben, dass sie dann trotzdem nicht vaterlos sein werden.

Für mich war - als mein Vater gestorben ist - wichtig und gut, in Gott „einen Vater im Himmel“ zu haben. Zu dem ich reden konnte. Zu dem ich innerlich auch aufblicken konnte. Vaterlos zu sein, das kann auch das Gefühl von Verlassensein in einem auslösen. Wenn man sich das eingesteht, auch betend, kann man daran wachsen. Gewissermaßen neu erwachsen werden.

Ich weiß, viele Menschen tun sich schwer, zu Gott als „Vater“ zu beten. Weil ihnen das Wort vergällt ist oder weil „Vater“ für Gott nicht passend scheint.

Ich würde es dennoch mal probieren, Gott "Vater" zu nennen. Denn, ich glaube, „vaterlos“ zu leben, ist schwierig. Ich kenne jedenfalls Situationen, da bin ich froh, dass ich Gott „Vater“ nennen kann. Genauso wie ich andermal „Mutter“ sage oder „Licht“ oder „Kraft“ oder „guter Gott“.

Auch in der Bibel taucht das Wort „Vater“ für Gott auf in der Erfahrung von Vaterlosigkeit. „Ja, Du bist unser Vater,“ heißt es im Alten Testament bei Jesaja, „denn unsere Vorväter kennen uns nicht mehr“. Als die Väter versagt haben oder nicht mehr da waren, da haben Juden es gewagt, Gott Vater zu nennen.

Bei Jesus ist es ähnlich. Er hat Gott in seiner Sprache „Abba“ genannt. Das klingt so vertraut wie „Papa“ heute. Jesu irdischer Vater hat in seinem erwachsenen Leben offenbar keine große Rolle gespielt. Aber er verzichtet nicht auf einen „Vater“. Jesus hat Gott „Papa“ genannt und uns geraten, „Vater unser“ zu beten. Wir sollen im Vertrauen leben, dass wir nicht vaterlos sind.

Wenn der eigene Vater stirbt, das verwandelt einen. Ich denke, das gilt, gleichgültig ob die Beziehung zu ihm positiv war oder ambivalent oder auch schwierig. Wenn Väter gehen, beginnt für einen selbst etwas Neues. Man verwandelt sich. Bis dahin war man auf mehr oder weniger spürbare Weise immer auch noch Sohn oder Tochter.

Diese Verwandlung braucht Zeit. Und ich denke, es ist gut, wenn man sich viel Zeit dafür lässt. Und es ist ein Segen, wenn man weiß: auch ohne meinen Vater muss ich nicht vaterlos durchs Leben gehen. Wenn die Beziehung zum Vater oder der Mutter endet. Das verändert. Man wird noch einmal neu erwachsen.

 

https://www.kirche-im-swr.de/?m=28013
weiterlesen...