Anstöße sonn- und feiertags

Anstöße sonn- und feiertags

„Wie kann Gott eigentlich alles tun, wenn er nur zwei Hände hat?“ Das hat unsere älteste Tochter neulich mal gefragt. Mit ihren sechs Jahren kamen ihr also erste Zweifel an Gottes Allmacht. Dass Gott alle Dinge möglich sind, davon war sie weiter überzeugt. Aber wie genau stellt er das an?
Für ihren vierjährigen Bruder war die Sache dagegen ganz klar: „Gott hat tausend Hände!“, hat er geantwortet. Für ihn war Gott der, der alles problemlos hinbekommt und dazu niemanden sonst braucht.

Manchmal hört man aber auch das Gegenteil: „Gott hat keine anderen Hände als unsere.“ Damit ist gemeint: Gott greift nicht direkt in die Welt ein, sondern immer nur durch den Einsatz von uns Menschen. Dieselbe Frage also: „Wie viele Hände hat Gott?“ – Was tut Gott in der Welt, was wir Menschen? Und ganz verschiedene Antworten. Wer hat denn nun Recht?

Ich denke: Jede der beiden Positionen hat ihre Stärken und ihre Schwächen.
Wer sich Gott mit tausend Händen vorstellt, hat jede Menge Gottvertrauen. So jemand bekommt wahrscheinlich auch in schweren Momenten die Kraft, nicht aufzugeben. Auf der anderen Seite ist er vielleicht in Gefahr, selbst gar keinen Einsatz zu zeigen. Oder die Schuld für alles Schlechte Gott in die Schuhe zu schieben – so nach dem Motto: Er hätte doch eingreifen können …

Wer dagegen meint, Gott handelt durch die Hände der Menschen, der weiß um die eigene Verantwortung in der Welt. So jemand hängt sich rein, auch für andere oder für die Schöpfung. Aber diese Sichtweise kann rasch zu Erschöpfung führen. Und zu Verzweiflung, wenn sich Dinge eben nicht ändern lassen. Wenn Menschen Gottes Hände haben – warum sind sie dann oft so schwach?

Beide Sichtweisen haben also ihre Berechtigung. Deshalb möchte ich beiden einen guten Platz geben in meinem Leben. Dabei hilft mir diese doppelte Aufforderung hier: „Bete, als ob alles Arbeiten nichts nützt. – Arbeite, als ob alles Beten nichts nützt.“

Wenn ich bete, dann stelle ich mir Gott mit tausend Händen vor. Dann muss ich selbst nichts tun, kann meine Verantwortung getrost abgeben.
… und dann arbeite ich wieder, als ob Gott nur meine Hände hat. Und mache die Welt dabei – hoffentlich – ein Stück lebenswerter.
Gottes Eingreifen und menschlicher Einsatz. Das eine ergibt ohne das andere keinen Sinn. Beides gehört eng zusammen und ergänzt sich. Seine Hände – und unsere Hände.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=27968
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