SWR1 Begegnungen

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Bruder Timothee…und mit Bruder Timothée aus Taizé. Ich treffe ihn, als er in Bonn junge Erwachsene besucht und mit ihnen eine „Nacht der Lichter“, also ein besonderes Gebet mit Liedern aus  Taizé, vorbereitet.  Als er selbst so alt war wie diese jungen Erwachsenen, entschied sich der gebürtige Freiburger ins Kloster zu gehen. In ein ganz besonderes –die ökumenische Gemeinschaft von Taizé im französischen Burgund.

 „Also manchmal sprechen mich Leute an: Wo ist denn jetzt das Kloster? Wo sind die Mauern? Habt ihr einen Kräutergarten, braut ihr auch Bier? All das haben wir nicht, aber von dem was inhaltlich Kloster ausmacht, gerade dieser Gebetsrhythmus  mit den drei Tagzeitengebeten ist auch das, was unseren Alltag strukturiert und wenn man als Jugendgruppe hinkommt, nimmt man an diesem Rhythmus teil und das war das was mich auch beim ersten Aufenthalt am meisten fasziniert hat.

Und nicht nur den 16-Jährigen Schüler faszinierte das damals, sondern auch Zehntausende Jugendliche heute. Überraschend: Dreimal am Tag beten, die Toilette und Dusche selber sauber machen und zum Mittagessen gibt es einen Teller Couscous. Klingt nicht nach dem, was Jugendliche attraktiv finden – aber aus allen Länder, besonders Deutschland und Frankreich , zieht es junge Menschen in die Einfachheit.

Es ist ja sehr einfach alles, wenn man eine Woche in Taizéverbringt, die Unterkünfte sind einfach , das Essen ist einfach und […] wir haben auch nicht genug Steckdosen, dass alle immer ständig ihr Handy laden können und dadurch ist man zwangsläufig auch ein bisschen aus seinen Echokammern und Filterblasen raus und gezwungen sich auf Leute einzulassen, die um eine rum sind und viele sind am Ende der Woche sehr dankbar.

Genau so ging es mir auch, als ich vor einigen Jahren in Taizé war: Die Woche kam mir vor wie ein ganzer Monat, weil ich mich ganz auf den Moment konzentrieren und ihn genießen konnte. Das schildern Bruder Timothée auch viele junge Leute, die ihm dann sagen:

Daheim ist es immer schwer sich zu entscheiden, daheim haben wir den Verpassungs-Stress, […] dieses Gefühl, wenn ich das mach, könnte ich anderswo was verpassen, das macht glaub ich vieles auch schwierig: da zu sein, wo man gerade ist…nicht gleichzeitig zu denken die Party am andern Ort könnte besser sein und dann ist man nur so halb da. […]

Aber Taizé will mehr sein als eine Woche Flucht aus dem Alltagsstress. Ich erinnere mich an meinen Zimmerkollegen Dan aus Rumänien. Der hat das für sich so formuliert: „In Taizé lade ich meine Batterien wieder auf - für den Alltag. Und da bring ich mich aktiv als Christ in die Gesellschaft ein!“ Engagement und Gebet – beides gehört in Taizé zusammen. Seit seiner Gründung, als der Schweizer Roger Schutz in den 1940er Jahren Flüchtlinge aufnahm.

Frère Roger war während dem Krieg schon dort angekommen mit dem Ziel eine Gemeinschaft zu gründen, war aber noch alleine und hat in dem Haus, wo wir auch heute leben gewohnt.Taizé , der Ort war, sehr nahe an der Demarkationslinie, die Frankreich geteilt hat und dadurch waren Leute unterwegs auf der Flucht , […]  jüdische Gläubige, aber auch andere Menschen, die verfolgt waren[…] und Frere Roger hat einfach die Tür aufgemacht ohne groß zu fragen: Wer seid ihr? Was wollt? Wo wollt ihr hin?[…]“

Als Bruder Timothéeden Ordensgründer kennenlernt, ist Frère Roger schon alt. Aber immer noch verkörpert er jenes Urvertrauen, das Taizé so faszinierend macht:

Ich glaube er konnte das vielen Menschen vermitteln. Nicht, weil ihm selber Vertrauen immer  leicht gefallen ist, ich glaube wenn er das Thema so prominent platziert hat, […]  dadurch dass er sich damit so viel auseinandergesetzt hat, so einen Weg des Vertrauens auf Gott irgendwie öffnen, anstoßen, mitbegleiten […] Das war glaube ich auch eine Gabe, die er hatte auf jeden Einzelnen so eingehen zu können.

Was Taizé für ein geeintes Europa bedeutet und wie nachhaltig Begegnungen die jungen Menschen prägen, hören Sie nach dem nächsten Titel.

Teil II:

Ich treffe BruderTimothée aus Taizé. Als ich das erste Mal in Taizé war, hat mich fasziniert, wie unterschiedliche Menschen sich dort versammeln: Bodybuilder und „Ökos“.  Fromme und Zweifler. Katholiken und Protestanten. Von Argentinien bis Taiwan.

Es ist uns ganz wichtig, dass es diese Vielfalt unter den Teilnehmern gibt  […] und alle machen ein Stück weit eine neue , eine fremde Erfahrung und werden dadurch auch zusammengebracht, aber oft ist es eine Rückmeldung, […] dass die sagen, ja ich hab hier Zeit mit jemand verbracht […] mit nem Punk oder mit nem Hip-Hopper geredet , würd ich daheim nie machen und wo man plötzlich auf Leute zugeht, wo man sagt: In der Bahn hätte ich eher einen Bogen gemacht […]

Und diese Menschen lesen gemeinsam in der Bibel. Lesen gemeinsam die Bergpredigt, in der Jesus

Gewalt ablehnt und zum Frieden aufruft. Auch wenn sie aus Nationen kommen, die gegeneinander

Krieg führen.

Wenn sich Leute begegnen aus der Ostukraine, wenn Ukrainer das sind und Russen gleichzeitig da sind, für die das ein sehr präsentes Thema ist, und die sich dann begegnen und merken: Ok, jeder ist irgendwie  in seinen Zwängen drin. Heißt nicht, dass es danach Lösungen gibt, oder dass die danach die besten Freunde sind, aber man hat mal eine Woche miteinander verbracht […] und das verändert trotzdem was. Und das ist das, was uns sehr wichtig ist.

Und Taizé macht das oft als abstrakt empfundene Europa konkret: Für mich war Spanien nach Taizé nicht mehr nur ein Land, sondern es war Cristina, auf der Suche nach einer Arbeit im krisengebeutelten Südeuropa. Und so geht es auch den ca. 15.000 Jugendlichen, die aktuell den Jahreswechsel in Madrid verbringen. In Gastfamilien wohnen, gemeinsam Bibel lesen, beten und feiern. Aus dieser frohen Botschaft lebt auch Bruder Timothée und kann deshalb ganz gelassen in das neue Jahr gehen. Er hat keine guten Vorsätze, aber den Glauben an einen guten Gott:

Klar ist der erste Januar so ein Tag, der auch von Vorsätzen geprägt sein kann […] ich glaub der Glaube kann auch so ne umgekehrte Denkrichtung aufmachen.[…] Das kann uns glaub ich ne Freiheit geben, ein bisschen weniger uns selber  mit diesen Vorsätzen unter Druck zu setzen, dass wir nicht den Eindruck haben,  ich muss alles Mögliche in Ordnung bringen, dass dann mein Leben funktioniert,  sondern […] Gott sagt uns: dein Leben ist ok, ich bin da in deinem Leben, so wie es ist, mit allem was du daran gut findest, mit allem was du daran anders gern hättest, vielleicht auch wirkliche Fehler, derer du dir bewusst bist, aber unabhängig von all dem bin ich da und das gibt dir die Möglichkeit vorwärts zu gehen, […] deswegen kannst du Dinge anders machen.

Eine spannende Sicht auf das neue Jahr, finde ich. Eine, die Mut macht für 2019.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=27864
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