SWR1 3vor8

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(Johannes 1,1-18)

Schaffe ich einen neuen Anfang? Heute? Weil heute Weihnachten ist? Sie denken vielleicht: „Die Frage passt besser zu Neujahr. Da ist er ein bisschen (zu) früh dran.“ Aber das sehe ich ganz und gar nicht so. Es gibt keinen besseren Zeitpunkt für einen Neuanfang als Weihnachten. Und zwar deshalb, weil Gott selbst da noch einmal ganz von vorn anfängt. Als würde die Welt nicht existieren, die er einst ins Dasein gebracht hat. Allerdings muss er nicht mit allem von vorne anfangen, sondern nur mit dem problematischsten Teil seiner Schöpfung. Und der sind nun mal wir, wir Menschen. Wir, die wir aus Fleisch und Blut sind, aus dem Willen des Fleisches geboren[1]. Vom Evangelisten Johannes stammen diese Worte; sie werden heute als Weihnachtsevangelium in den katholischen Gottesdiensten vorgelesen. Johannes sagt: Gott will nicht, dass es so weiter geht. So fleischlich, so menschlich allzu menschlich. So machtbesessen und gewissenlos. Als ob es da einen Konstruktionsfehler gäbe. Was Gott sich ursprünglich einmal gedacht hatte mit uns, das hat versagt. Wir sind nicht die Krone der Schöpfung. Da ist einfach zu viel falsch gelaufen. Von Anfang an. Adam, der mit Eva vom verbotenen Baum isst. Kain, der den Bruder erschlägt. Die Bewohner der Stadt Babylon, die einen Turm in den Himmel bauen, mit dem sie Gott in den Schatten stellen wollen. Und in diesem Stil geht es weiter mit Neid und Eifersucht, damit, dass wir einfach nie bereit sind, unsere Grenzen zu akzeptieren. Aber Gott gibt nicht auf, er schaut nicht länger zu. Er probiert es noch einmal. So haben die ersten Christen es verstanden: Jesus ist das Wort, das Gott spricht, damit es einen neuen Anfang geben kann. Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und das Wort war Gott. (...) Und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt[2].

So spricht Johannes von Weihnachten. Von der Geburt Gottes in Gestalt des Menschen Jesus aus Nazareth, den er seinen geliebten Sohn nennt. Er ist der Prototyp des neuen Menschen. Und als solcher Gottes Angebot, es noch einmal neu zu versuchen mit dieser seiner Welt. Bis heute besteht dieses Angebot. Es kann etwas bewirken. Es kann ein echter Neuanfang daraus werden, überall dort, wo Menschen Gottes neuen Anfang sehen und annehmen. Wo sie das Wort „Jesus“ in ihre Worte übersetzen und dem entsprechend handeln. Im Geiste Jesu.

Schaffe ich das heute? Ich will’s versuchen. Will wenigstens an einer Stelle neu ansetzen, Zeugnis ablegen für das Licht[3], wie es im Evangelium des Johannes auch heißt. Und so den dunklen Seiten des Menschen, die mir begegnen werden, die es in mir auch gibt, etwas entgegen setzen.

Thomas Steiger aus Tübingen von der Katholischen Kirche.



[1] Vgl. Joh 1,13

[2] Joh 1,1.14

[3] Joh 1,8

https://www.kirche-im-swr.de/?m=27795
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