SWR4 Abendgedanken

SWR4 Abendgedanken

Als Kind habe ich mich immer riesig über Geschenke gefreut. Als Erwachsener weiß ich, dass man in unserer Gesellschaft nichts geschenkt bekommt. Selbst wenn wir uns unter Freunden zu Geburtstagen und zu Weihnachten Geschenke machen, hat es oft etwas von einem Tauschhandel. Man schenkt etwa in dem Wert, wie man beschenkt wird. So funktioniert ja auch unser Wirtschaftssystem. Ich gebe, damit Du gibst. Deshalb wirkt es dann seltsam, wenn Unternehmen mit Gratisangeboten werben oder wenn in einer Mail steht, dass ich eine Reise geschenkt bekommen soll. Einfach so. Ich weiß ja, dass ich dafür etwas geben muss. Und wenn es meine Daten sind.

Dass ich lebe, dass ich gesund bin, dass ich Freunde habe und geliebt werde, das kann ich nicht kaufen und mir nicht verdienen. Auch nicht, dass ich immer wieder neu anfangen kann, wenn ich Mist gebaut habe, dass hoffentlich eines Tages alles zum Guten geführt wird. Das alles ist wie ein Geschenk. Gratis. Ohne Gegenleistung.

Wer glaubt, der geht davon aus, dass es ein Geschenk ist, das von Gott kommt. 

Und dieses Geschenk ist besonders. Wenn ich es annehme, anerkenne ich nämlich, dass ich das eigentlich Wichtige im Leben nicht selber verdienen oder kaufen kann. Und gerade in einer Gesellschaft, wo viele meinen, dass das, was sie kaufen und haben, ihre Stellung anzeigt – à la „Mein Auto, mein Haus“ -, stellt es die Verhältnisse auf den Kopf. Ich kann es mir nicht erkaufen, dass ich was wert bin. Aber ich muss es nicht. Ich bekomme es geschenkt.

Der einzige Preis, den ich dafür bezahle, ist, dass ich anerkenne, dass es einen über mir gibt: Nämlich Gott, meinen Schöpfer, der mir das Geschenk des Lebens macht. Ich bin also ein Beschenkter. Und das ohne Gegenleistung. Das macht mich dankbar.

Für mich wird das an Weihnachten konkret, warum wir uns Geschenke machen – nicht im Tauschhandel, sondern weil wir uns gegenseitig zeigen wollen, dass wir Beschenkte sind. Von Gott beschenkt.

Aus mir wird dann auch einer, der Geschenke macht. Darin werde ich dann sogar Gott ähnlich. Aus dieser Perspektive ist es zu Weihnachten nämlich so: Gott zeigt sich in einem Kind, das hilfsbedürftig und auf Erwachsene angewiesen ist. Maria und Josef kommen in eine Situation, wo sie improvisieren müssen, um das Beste für ihr Kind zu erreichen. Ein Stall wird zur Notunterkunft. Und die Hirten, die davon hören, werden durch das, was sie sehen und erleben zu anderen Menschen. Sie suchen das hilfsbedürftige Kind auf und bringen ihm ihre Geschenke.

Maria und Josef und die Hirten: Auf den ersten Blick müssen sie etwas für das Kind geben. Aber auf den zweiten Blick wird klar, dass sie von Gott etwas bekommen, das sie zu anderen Menschen macht. Zu Menschen, die gebraucht werden, um dieses Kind zu lieben, es zu beschützen und sich um sein Wohl zu sorgen.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=27724
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