SWR3 Gedanken

SWR3 Gedanken

Mindestens einmal die Woche, oft nach unserer Teamsitzung, wird geseufzt: „Oh, Amos mal wieder!“ Das Montagsstöhnen über den neuen Praktikanten. Im kleinen Kreis, beim kleinen Klatsch in der Teeküche fliegen schnelle Sätze hin und her: „Er heißt Amos, amerikanisch gesprochen.“ „Jaaa, ich weiß, immer ein bisschen speziell.“ „Nu ja, er müht sich doch, aber er kann ja vieles nicht wissen.“ Und dann folgen einige der to do´s, die Amos nicht richtig oder zu spät erledigt hat.

Dabei sagt er, jung, unerfahren und unerschrocken, bei allen Aufgaben: „Ich schaffe das.“ Und fährt sich durchs gestylte Haar. Manches schafft er im Laufe der Zeit auch gut und immer besser. Und nebenbei bringt er unsere Gewohnheiten und Sehgewohnheiten durcheinander. Ein bunter Vogel bei Kirchens, gepierct und wild gemustert zwischen Theologen in gedeckt-gediegenen Anzügen. Eigen, aber echt. Und wenn nicht an allen Themen, so ist er doch an Menschen interessiert .„Wie geht es Dir?“, fragt Amos mit weit offenem Blick und fixiert einen. Seltsam ernsthaft.

Manchmal irrlichternd, seine Augen. Träumend ab und an in der Sitzung. Oft habe ich gedacht, da muss es mehr geben in seinem jungen Leben. Und es gab mehr. Schwere Krankheiten, Krisen in der Familie, die er mir erst zum Abschied anvertraut. "Der Mensch sieht, was vor Augen ist, Gott aber sieht das Herz an.“ Selten hat dieser biblische Satz besser gepasst. Als Amos geht, spricht er klopfenden Herzens vor lauter Redegewohnten. „Es war nicht immer leicht mit mir, aber ich bin euch so dankbar für die Chance hier und rede einfach, wie ich empfinde…“ Allen in der großen Runde sagt er ein paar Worte, fasst jede und jeden ins Auge. So gut beobachtet, dass wir, berührt und ein wenig beschämt nur sagen konnten: „Oh, Amos“.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=27676
weiterlesen...